Ridge Munsy schoss sich mit 21 Toren in 16 Spielen in die Herzen des SC-Kriens-Anhangs. Dann wechselte er im Januar 2015 in die Super League. Gut ein Jahr später ist er auch beim FC Thun zum Topskorer gereift.

Es ist Ende Februar und der FC Thun empfängt in der Stockhorn Arena den FC Basel. Eigernordwand-Idylle gegen Grosstadthektik. Hedigers Muskeln gegen Langs Mittelscheitel. Munsy gegen Embolo. Das Spiel wird nach wenigen Minuten so richtig lanciert: In der Person von Ridge Munsy. Er schiesst das Heimteam bereits nach fünf Minuten in Führung. Ausgerechnet Munsy. Kein Hollywood-Autor hätte das Drehbuch besser schreiben können. Allgemein ist zu beobachten, dass jede gefährliche Aktion der Thuner über den ehemaligen SCK-Stürmer läuft. Seine Dynamik, der Antritt, die Robustheit stellen auch erfahrene Basler-Nationalspieler vor Probleme. Und während die Thuner Fans damit beschäftigt sind, Renato Steffen bei jedem Ballkontakt auszupfeifen, schiesst genau dieser den Ausgleich. Herrlich dieses Drehbuch. Bis zum Schluss fallen dann keine Tore mehr. Dafür wird Ridge Munsy auf blick.ch zum Mann des Spiels erkoren.

Rotweiss statt grünweis. Ridge Munsy im letzten Februar beim Wiedersehen mit dem SC Kriens (Bild: SC Kriens).
Rotweiss statt grünweis. Ridge Munsy im letzten Februar beim Wiedersehen mit dem SC Kriens (Bild: SC Kriens).

Challenge League oder FC Thun?
In seinem Stamm-Italiener in der schmucken Thuner Altstadt blickt dieser Mann des Spiels anschliessend auf die vergangenen Monate zurück. Nach einer Wahnsinns-Vorrunde mit dem SC Kriens und 21 Toren in der ersten Liga, lagen in der Winterpause 2014/15 dennoch lange keine Angebote auf dem Tisch. «Ich habe mich auf die Rückrunde mit dem SC Kriens eingestellt», erinnert sich Ridge Munsy. Dann aber meldeten sich einige Clubs aus der Challenge League. «Aber die Challenge League hat mich weder gereizt noch überzeugt. Für das lief und gefiel es mir in Kriens zu gut.» Trotzdem liess er sich auf Gespräche ein. Anstandshalber fast – schliesslich zeigten die Vereine Interesse an seiner Person. Es kam sogar zu einer losen Einigung, aber die definitive Zusage schob er hinaus. «Mir ging es zu diesem Zeitpunkt in Kriens so gut, ich hatte keine Lust mich zu entscheiden.» Bis plötzlich Ende Januar der FC Thun anklopfte. Super League. Die grosse Bühne. Probetraining für eine Woche. Der FC Thun erwies sich als charmanter Gastgeber. «Ich habe mich hier sehr schnell, sehr wohl gefühlt. Noch während meiner Testwoche, ich kannte nicht einmal alle Namen, organisierte mir der Verein eine Wohnung, eine Fahrgelegenheit und kümmerte sich unglaublich gut um mich.» Ridge Munsy spürte Vertrauen und einen Verein der ihn unbedingt verpflichten wollte. Der Transfer war bereits vor Ablauf des Probetrainings beschlossene Sache und der damalige Trainer Urs Fischer fragte seinen neuen Stürmer erstaunt, ob  Thun wirklich der einzige Super-League-Verein gewesen sei, der Interesse an ihm bekundet hatte.

Physis und Spielintelligenz
Aber die ersten Trainingseinheiten und Wochen bei seinem neuen Arbeitgeber waren hart. Sehr hart. Auch wenn Ridge Munsy als Fussballpro nicht mehr wie beim SC Kriens um 05.20 Uhr aufstehen musste, um als Spengler zu arbeiten, die deutlich höhere Intensität und sechs bis sieben Trainings pro Woche gingen nicht spurlos an ihm vorbei. «Ich war jeden Abend extrem müde und kaputt. Die Umstellung war nicht einfach. Schliesslich hatte ich vor acht Jahren das letzte Mal in der höchsten Schweizer Liga Fussball gespielt.» Aber Munsy machte schnell Fortschritte. Passte sich an die physischen Herausforderungen an und kam zu Einsatzminuten. «Im letzten Jahr konnte ich vor allem bei der Physis zulegen. Ich habe gelernt meinen Körper einzusetzen. Auch meine Spielintelligenz hat sich enorm entwickelt.» Diese Entwicklungen werden im Spiel gegen den FC Basel immer wieder deutlich: Gekonnt deckt er mit Hilfe seines Körpers den Ball ab, oft umzingelt von mehrerer Gegenspielern.

Publikumsliebling und Sänger
Ridge Munsy ist nach einem Jahr definitiv in und beim FC  Thun angekommen. Dies beweisen nicht nur seine regelmässigen Einsatzzeiten und die Tore. Im Fan-Shop ziert sein Name das Trikot im Schaufenster, im Werbeprospekt mit der gesamten FC  Thun Kleider-Kollektion lächelt er von mehreren Seiten in die Kamera. Und nach dem Spiel gegen den FC Basel ist er trotz Niederlage ein gefragter Mann für Sonntags-Selfies.

«Es ist wie beim SC Kriens. Der FC  Thun ist trotz der Grösse sehr familiär, jeder kennt jeden und alle schätzen das gegenseitige Engagement.» Auch bei den Fankontakten sieht Ridge Munsy Parallelen zu Kriens. «100 Prozent Einsatz auf dem Feld wird mit 100 Prozent Unterstützung von den Rängen belohnt. Die Begeisterung der Fans nach einem Sprint oder einer Grätsche in der 90. Minute ist unglaublich.» Ridge Munsy ist aber nicht nur bei den Fans beliebt, auch die Medien nehmen immer mehr Notiz vom ehemaligen Krienser. Gerade im Vorfeld zum Basel-Spiel berichteten zahlreiche Zeitungen und Online-Portale über ihn. Dabei wurde der Fokus nicht nur auf sei- ne fussballerischen Qualitäten gerichtet. An der zweiten FC  Thun-Night im März wird er zusammen mit Torhuüter Guillaume Faivre in der Band des Präsidenten auftreten. Momentan laufen die Proben. Auch das ist der FC  Thun. Auch das ist Ridge Munsy – die Lebensfreude und der Schalk im Nacken.

Drei Trainer in einem Jahr
Die Sonne schien für Munsy in seinem ersten Jahr beim FC Thun allerdings nicht immer. Nach einem halben Jahr, indem er regelmässig spielte und Tore schoss, wechselte Urs Fischer im Sommer 2015 zum grossen FC Basel. Die Mannschaft gönnte ihrem Übungsleiter den Karrieresprung, kein Spieler sei sauer auf Fischer gewesen. Mit Ciriaco Sforza kam ein Trainer nach  Thun, den Ridge Munsy von früher sehr gut kannte. Unter Sforza debütierte er vor über acht Jahren im Dress des FC Luzerns in der Super League. Doch das war für Munsy keineswegs ein Garant für Einsatzminuten. Im Gegenteil. Nach einem guten Start beim FC Thun fand er sich unter Sforza plötzlich auf der Ersatzbank wieder. Manchmal stand er nicht mal mehr im Aufgebot. «Die Situation war für mich nicht einfach. Vor allem wusste ich nicht genau, warum ich nicht mehr spielte.» Während dieser schwierigen Zeit stützte ihn sein Umfeld. «Zum Glück war ich nie alleine. Natürlich, auf der Ersatzbank ist man immer alleine. Aber neben dem Platz hat mich meine Familie und mein Umfeld extrem unterstützt.» Auch sein ehemaliger Trainer beim SC Kriens half Ridge Munsy. «Marinko Jurendic hat sich in dieser Zeit regelmässig bei mir gemeldet und mich aufgebaut. Wir haben damals sicher zweimal in der Woche miteinander telefoniert.» Das Durchhalten hat sich gelohnt. Die Liaison des FC Thuns mit Ciriaco Sforza hielt nicht lange. Bereits nach zwei Monaten wurde der ehemalige Bayernspieler wieder entlassen und durch Jeff Saibene ersetzt. Der dritte Thun-Trainer innerhalb eines Jahres.

Ein Glücksfall für Ridge Munsy. Unter Jeff Saibene spielt er wieder regelmässig und erfolgreich. Aktuell stehen bei ihm sieben Saisontore zu Buche. Zum Vergleich: Das sind zwei Tor mehr als Basels Sturm-Juwel Breel Embolo erzielt hat und eines mehr als Sion-Topstürmer Mussa Konaté. Eine Statistik, die sich sehen lässt und die Munsy auch für andere Vereine interessant macht. Von China war in der Winterpause die Rede, der FC Wil soll rund eine Million Franken geboten haben. Munsy winkt mit einem Lachen ab. «Mir gefällts in Thun.»

«Soweit wie Gott es mir erlaubt»
Seine Zukunft lässt der Stürmer allerdings völlig offen. «Ich möchte soweit gehen, wie Gott es mir erlaubt. Konkret heisst das für mich, dass ich Spiel für Spiel nehme und immer mein Bestes gebe.» Ziele hat Ridge Munsy dennoch. Primär möchte er zu möglichst vielen Einsatzminuten kommen und dabei immer eine mannschaftsdienliche Leistung abliefern. Alles andere werde sich zeigen. «Persönlich und Fussballerisch möchte ich zu einem gestandenen Super-League-Spieler reifen. Und ein entscheidendes Element in einer funktionierenden Mannschaft sein.» Später soll man Ridge Munsy mit dem FC Thun verbinden, wie beispielsweise Hoarau mit YB oder eben Embolo mit dem FC Basel.

Vater sorgt für Bodenhaftung
Ridge Munsy geniesst das Leben. Auf dem Platz und neben dem Platz. Er spielt regelmässig in der Super League, schiesst entscheidende Tore. Er kann mit Fussballspielen, mit seiner Leidenschaft, den Lebensunterhalt verdienen. Im Berner Oberland gehört er zu den Publikumslieblingen. Die ganze Fussballschweiz kennt ihn. Besteht da nicht die Gefahr in eine Art bequeme Zufriedenheit zu fallen? Munsy verneint. «Ich weiss, was es bedeutet jeden Tag um 5.20 Uhr aufzustehen, um zur Arbeit zu gehen. Ich kenne diese andere Seite. Deshalb geniesse ich meine momentane Situation einfach.» Ausserdem achte sein Vater, dass er den Boden unter den Füssen nicht verliere und abhebe. Es würde diesem Ridge Munsy auch nicht gut stehen.

Das SCK Magazin mit noch mehr Fussballgeschichten gibt es exklusiv für alle SCK-Mitglieder. Jetzt beitreten