Der Aufsteiger Cham startet als Leader in die zweite Saisonphase. Ob er sich um die Aufstiegsberechtigung bemüht, ist unklar.
Vor knapp neun Jahren lauteten die drängendsten Frage in der Schweiz und in der Sportwelt: Wird die SP die SVP tatsächlich als stärkste Partei im Land ablösen (wie sie das vor den Wahlen erklärt hat)? Wie lange wird die Migros den Thunfisch in der Dose noch zum halben Preis verkaufen? Gewinnt Peyton Manning nie die Super Bowl? Und: Darf der SC Cham aufsteigen?
2007: Aufstieg in Biel
Heute stellen sich diese Fragen nicht mehr – bis auf die letzte. Denn damals (1. Liga) wie heute (Promotion League) stehen die Ennetseer vor der Wiederaufnahme der Meisterschaft auf einem Aufstiegsplatz. Und damals wie heute ist fraglich, ob sie die Vorgaben erfüllen können, um die Lizenz für die zweithöchste Spielklasse zu erhalten. 2007 gelang das vor allem, weil der Verein die Zusicherung hatte, die Heimspiele in Zug austragen zu können. Und tatsächlich nahm Cham die Lizenz in Anspruch. An einem sommerlichen Junisamstag bejubelten Captain Daniel Rogenmoser und Co. vor über 4000 Zuschauern in Biel den Aufstieg in die Challenge League.
Servette hat aufgerüstet
Seither ist der Berg an Auflagen noch gewachsen, wie Frank Kleiner bestätigt. Der Vizepräsident ist für das Dossier zuhanden der Lizenzkommission verantwortlich. Am vergangenen Dienstag lief die Frist für die Eingabe ab. Die entscheidende Nachlieferungsfrist läuft aber bis 14. März. Der Sportclub wird sich bis zum letzten Moment Zeit lassen mit der Entscheidung, ob er sich tatsächlich um die Lizenz bemühen wird. «Wir tun das nur, wenn wir auch wirklich eine Aussicht haben auf Erfolg. Das entscheidet sich wirklich erst von Tag zu Tag», erklärt Kleiner. Am 25. April wird der Verband mitteilen, welche Vereine die Auflagen in erster Instanz erfüllen.
Ein Klub mit den Strukturen der Ennetseer könne das nicht, ohne an die äussersten finanziellen und vor allem personellen Grenzen zu gehen, sagt Kleiner. Er betrachtet diese Entwicklung zwiegespalten: «Einerseits ist es begrüssenswert, dass ein Verein gut aufgestellt sein muss, um in den Profifussball aufzusteigen. Andererseits droht dadurch, dass die Challenge League zur geschlossenen Gesellschaft wird und den kleinen Klubs deshalb das Erlebnis eines Aufstiegs von Anfang an genommen wird.»
Dieses Thema treibt die Vereine seit jeher um. Sie stossen sich besonders daran, dass vielen Vorgaben hypothetische Szenarien zugrunde liegen. So muss beispielsweise ein Sicherheitskonzept vorgelegt werden auf der Grundlage eines Mehrfachen an Zuschauern, die erfahrungsgemäss einer Partie beiwohnen.
Ändern lässt sich das freilich nicht. Man könnte sich gar nicht erst um die Lizenz bemühen. Doch das sei für die Chamer «aus sportlichen Gründen» nie zur Diskussion gestanden, sagt Kleiner.
Nur eine Hypothese ist gegenwärtig auch, ob der Sportclub promoviert. Die Meisterschaft ist in der Spitzengruppe sehr ausgeglichen. Nach 17 von 30 Runden liegen die ersten fünf Teams innerhalb von sieben Zählern, Servette ist punktgleich mit Cham. Die Genfer haben ihr Kader in der Winterpause mit zusätzlicher Erfahrung aus höheren Ligen angereichert. So holten sie unter anderem ihren früheren Super-League-Torhüter David Gonzalez zurück und verpflichteten den Wandervogel Florian Berisha (unter anderen in Sion, Xamax und Aarau). Rapperswil-Jona unterstrich seine stets hohen Ambitionen mit der Verpflichtung von Ex-Aarau-Goalgetter Remo Staubli, der zuletzt allerdings im Amateurbereich kickte.
Neuer Torhüter
Und die Chamer? Die wichtigste Personalentscheidung des Aufsteigers betrifft Trainer Jörg Portmann: Am Mittwoch gab der Verein die Vertragsverlängerung um ein Jahr bis 2017 bekannt. Darüber hinaus hat er zwei Transfers getätigt: den Torhüter Sebastiano Gallo (23), der in der laufenden Saison gerade einmal 135 Minuten in der 1. Liga (Thalwil) bestritten hat. Er wurde als Nummer zwei verpflichtet. Doch weil Alessandro Merlo sich verletzte, wird er morgen gegen Brühl (16.00, Eizmoos) zum Einsatz gelangen. Verletzt sind auch Captain Ueli Sturzenegger sowie der zweite Zuzug: der Innenverteidiger Julian Wüest (23), der letztmals im vergangenen Juni in der 2. Liga interregional (Küssnacht am Rigi) in einem Pflichtspiel auf dem Platz gestanden ist.
Zahlreiche Spielerbewerbungen
Dabei habe es nicht an interessierten erfahreneren Akteuren gemangelt, sagt Sportchef Marcel Werder. Zahlreiche ausländische Spieler seien ihm über Berater angeboten worden oder hätten sich gleich selbst per Mail mit Links zu Youtube-Highlight-Videos beworben. «Viele denken, wir seien ein Profiklub, wenn sie auf die Tabelle schauen», sagt er amüsiert. Angesichts des erfolgreichen Herbsts gab es auch Angebote für Chamer Spieler – «auch von direkten Konkurrenten», führt Werder aus. Doch keiner verliess das Erfolgsensemble wegen des Lockrufs eines anderen Vereins.
Die Möglichkeit auf ein neuerliches Chamer Märchen nach 2007 ist gegeben. Doch wie für die eingangs erwähnte SP gilt auch für den SC: Die Herausforderung ist noch grösser geworden.