Der SC Kriens ist nach 7 Runden Tabellenführer in der Promotion League und trägt heute (20.00, Gersag) den Spitzenkampf gegen Stade Nyonnais aus. Mit dabei: der Krienser Toptransfer Saleh Chihadeh (23).
Es ist gar nicht so einfach, jedes Wort zu verstehen, wenn man mit dem gebürtigen Palästinenser Saleh Chihadeh spricht. Nicht, weil er palästinensisch-arabisch spricht, sondern: richtig vertieften Walliser Dialekt! Die Eltern zogen von Safuriye, einem Dorf ganz in der Nähe von Nazareth, in die Schweiz, als Saleh Chihadeh 7-jährig war. «Ich glaube, der Vater wollte uns Kindern zu einer besseren Zukunft verhelfen», erzählt Chihadeh, «deshalb nahm er das Angebot aus der Schweiz für die Arbeit als Elektriker an.»
Der neue Kriens-Stürmer kommt 2001 in Naters an. Mit dabei neben Vater Ahmed: Mutter Nazleh, die zwei Brüder Feras und Mohamed sowie die Schwestern Duah und Isra. Saleh muss zuerst einmal Sprachkurse besuchen, damit er in der Primarschule mithalten kann. Und beim Fussball? Das fällt ihm auf dem Pausenplatz leicht. Ein Kollege nimmt ihn mit ins Training des FC Naters. Der Juniorentrainer sagt schnell einmal: Du bleibst bei uns.
Unter Thun-Trainer Fischer unglücklich
Mit 16 ist Chihadeh Stammspieler in der 1. Mannschaft des FC Naters. Das war damals die dritthöchste Schweizer Liga, die Promotion League gab es noch nicht. Als 17-Jähriger hat er Ende Saison 12 Tore erzielt. Mit 18 kann er zum FC Thun wechseln. Er spielt in der U21, trainiert aber mit der Super-League-Mannschaft und reist auch mit ins Trainingslager. Dann merkt Chihadeh, dass er sich in Thun nicht wohl fühlt: «Ich hatte unter Trainer Urs Fischer keine Freude mehr, das Training hat mir keinen Spass gemacht. Es war nicht mehr: Ich gehe zum Fussball. Es war vielmehr: Ich muss zur Schule.» Chihadeh spricht in Thun den Wunsch aus, zum FC Naters zurückkehren zu können. Dem Wunsch wird stattgegeben.
Vergangene Saison erzielt Chihadeh, der sich oft mit seiner geradlinigen, zielstrebigen Suche nach dem gegnerischen Tor auszeichnet, für den FC Oberwallis-Naters in der 1. Liga 18 Tore (und dazu 2 im Cup).
Es gibt Angebote aus der Promotion League, von Breitenrain und Brühl zum Beispiel, aber Chihadeh ist nicht richtig überzeugt. Auch Bruno Galliker, der Sportchef des SC Kriens, telefoniert ins Wallis. Chihadeh trifft sich mit ihm in einem Restaurant in Spiez. Der Palästina-Walliser sagt: «Ich habe gleich gespürt: Kriens, das ist ein Klub, der lebt, ein Klub, der ambitioniert ist. In Kriens, da sind gute Leute.» SCK-Sportchef Galliker erinnert sich: «Ich erhielt im Sommer einen Tipp. Ich habe mich erkundigt, die Statistik von Saleh Chihadeh studiert. Beim ersten Treffen in Spiez wollten ich den Menschen spüren. Beim zweiten Treffen in Kriens wurde alles geregelt.»
Chihadeh bezieht vorübergehend ein Zimmer in Kriens, dann wechselt er in eine Fussballer-WG in Olten. Zusammen mit Dominique Feldner, einem ehemaligen Junioren-Gefährten in Naters, der heute bei Liga-Konkurrent Breitenrain spielt, hat er eine Wohnung gemietet. «Weil wir in Kriens mittwochs nicht trainieren, fahre ich jeweils am Dienstagabend für anderthalb Tage direkt ins Wallis zu meinen Eltern», erzählt Chihadeh. In Brig, «eine Minute von Naters entfernt», wie Chihadeh vorrechnet, betreibt er mit seinem Schwager einen Coiffeursalon. «Weil ich nicht viel da bin, kümmere ich mich vor allem um die Buchhaltung. Aber wenn viele Leute in der Warteschlange stehen, dann helfe ich schon auch mal mit beim Haareschneiden.»
Nach seiner Zeit in Thun habe er gelernt, sich nicht langfristige Ziele zu setzen. Chihadeh sagt: «Sich mit langfristigen Zielen zu beschäftigen, das macht mich nur müde im Kopf.» Bescheiden meint er: «Ich habe letzte Saison in der 1. Liga gespielt. Jetzt will ich beim SC Kriens in der Promotion League einen Stammplatz im Angriff. Schritt für Schritt.»
Der nächste Schritt: im heutigen Spitzenkampf Stade Nyonnais, mit 4 Punkten weniger als Kriens auf Rang 3, in die Schranken weisen. Kriens hat noch eine Rechnung offen. Denn in der letzten Saison war das 0:0 im Rückrunden-Heimspiel gegen das Team von Ex-Kriens-Spieler Oscar Londono der Auslöser einer Negativserie, die in den folgenden vier Spielen nur noch einen Punkt eintrug und den möglichen Aufstieg in die Challenge League vermasselte. «Ich freue mich sehr auf dieses Spiel», sagt Chihadeh, und sein Selbstvertrauen ist auch nach dem 7:0-Sieg von Nyon gegen Köniz vor 10 Tagen ziemlich gesund: «Wir sind fit. Wir schauen auf unsere eigene Leistung, und wenn wir die abrufen können, dann sollte die Aufgabe lösbar sein.»
Müde im Kopf wird Chihadeh nicht sein.