
Das grosse Glück kommt immer unverhofft. Bei mir war es ein zielloser Sonntagsspaziergang im Alter von sieben Jahren mit meinem Vater, der irgendwie im Kleinfeld endete. Es lief ein NLB-Spiel. Kriens – FC Grenchen. Es war bereits Pause, Grenchen führte 0:1. Wir kamen gratis rein, ich ass zwei Paar Wienerli, Kriens drehte das Spiel noch und gewann 3:1. Aufgewühlt von meinem ersten (halben) Fussballspiel konnte ich daheim kaum schlafen, musste in der Nacht mehrere Male erbrechen und wusste am nächsten Morgen: Ich bin SC-Kriens-Fan.
Es folgten in den kommenden Jahren mehrere Auf- und Abstiege, Highlights und Tiefpunkte, ein Sieg gegen GC und auch Niederlagen gegen Tuggen. Der Abriss des Kultstadions Kleinfeld und jetzt – der Kreis schliesst sich – wieder die Rückkehr in die NLB. Oder wie die NLB heute mit Recht heisst: Challenge League.
Denn die Challenge League ist eine echte Herausforderung für jeden Verein. Vor der Saison weiss man eigentlich nur, dass sie irgendwann beginnt. Immerhin. Dann kann es aber drunter und drüber gehen: Klubs melden sich nach dem Weihnachtsessen von der Rückrunde ab, weil das Raclette zu viel gekostet hat – oder noch dümmer: Weil der Investor seine EC-Karte nicht mehr findet und drum die Juli-, August-, September-, Oktober-, November- und Dezember- Löhne nicht mehr bezahlen kann.
Wenn man dann wegen Auflagen noch LED-Lampen auf dem Herren-WC installieren soll, dann gehen bei einigen Klubs schnell mal die Lichter aus. Konkurs. Dann steigt in der Folge niemand mehr ab, niemand kommt rauf, und an der Tombola wird ermittelt, wer weiterspielen kann. Muss. Nicht umsonst nennt man die Challenge League auch die lustigste Liga der Welt.
Diese Herausforderung haben wir in Kriens alle schon überlebt. Aber wir haben ebenso schon vieles in der Vereinsgeschichte überlebt. Das prägt und lässt uns mit beiden Füssen auf dem Boden stehen. Champions League kann uns gestohlen bleiben, die heroische Reise durch die Promotion-League-Stadien macht uns eh keiner mehr nach. Das ist jetzt vorbei.
Vermissen werden wir in der Challenge League sicher die obligatorischen Live-Übertragungen von allen Promotion-League-Spielen, mit dem iPhone (!) gefilmt. Das war immer ein Ereignis. Als Kinder haben wir abends in den Vollmond geschaut und gerätselt: Sieht man dort einen alten Mann? Ein Pferd? Einen Schlumpf? Genauso war es auch mit den Handy-Liveübertragungen: Spielen die schon? Sind die farbigen Punkte Spieler, die rennen? Oder sind es Pixelstörungen? Oder doch auch Schlümpfe?
Noch interessanter waren die hörbaren privaten Gespräche des Ehrenamtlichen, der filmen musste. Wenn man zwei Stunden mit dem Handy was filmen muss, vergisst man irgendwann alles und erzählt dann schnell mal seinem Sitznachbarn vom Chef und wie der aus dem Mund riecht.
Nein, die letzten Jahre haben uns nicht geschadet. Im Gegenteil. Wer unten ist, der rückt zusammen und weiss, was zählt. Der weiss, dass ein Verein, der nur dem Erfolg nach-rennt, seine Seele verkauft und damit alles an die Wand fährt. Dort waren wir bereits, als in den 2000er-Jahren junge Nachwuchssöldner bei uns kickten, das Handy praktisch in den Unterhosen, immer bereit für einen neuen Transfer. Bis die Blase platzte.
Die Gersag-Derniere am Samstag und die Meistertitel-Feier sind schon fast Kitsch. Eigentlich müsste Helene Fischer singen. Irgendeinen ihrer Schwurbel-Songs. Es wird auf jeden Fall ein tolles Fest sein.
Und im Gegensatz zu meinem ersten SC-Kriens-Spiel werde ich dieses Mal nur ein einziges Paar Wienerli essen. Dafür werde ich schon zwei Stunden vor dem Anpfiff im Gersag sein.
Zum Autor: Oliver Kraaz (47) ist weltweit der einzige offizielle SC-Kriens-Blogger. Er schrieb über 100 Blogs zu 1.-Liga- und Promotion-League-Spielen. Am Freitag erschien sein letzter.