Viel hätte nicht gefehlt und Burim Kukeli wäre heute kein Fussballer. Er wäre nie Cupsieger geworden, hätte nie gegen Portugal und Cristiano Ronaldo gespielt und auch nicht vor 60’000 Zuschauern an der Europameisterschaft gegen Frankreich. Aber Burim Kukeli hat einen fast unbändigen Willen, einen Arbeitsethos der ihn stets zurück auf den Fussballplatz trieb und ihm den Weg in den professionellen Fussball ebnete.

In einem Alter, indem sich andere Fussballer schon viermal durch alle Bundesligastadien gekickt haben und ihre Manager grossmäulig Wechselabsichten Richtung Premiere League äussern, spielte Burim Kukeli als 22-jähriger in der 2. Liga Interregional beim FC Schötz. Mit den Luzerner Hinterländern war er aus der 1. Liga abgestiegen und wenig deutete damals auf seine internationale Karriere hin.

Burim Kukeli hatte sich früh dem Fussball verschrieben. Beim FC Solothurn spielte er sich durch die Juniorenmannschaften. Er gehörte stets zu den Talenten im Team, zu denen die es schaffen könnten. Ins Stocken geriet das Unterfangen «Profifussballer» erst, als es darum ging, vom Juniorenfussball in den Erwachsenenfussball aufzusteigen. Solothurn, Olten, Zofingen waren die ersten drei Stationen als Aktivfussballer.

Dann im Sommer 2005 der Wechsel zum FC Schötz. Der junge Burim Kukeli machte sich Gedanken, ob sein Berufswunsch «Fussballer» vielleicht ein Wunsch bleiben würde. «Ich hatte eine Lehrstelle bei Rivella, drei Trainings pro Woche in Schötz, ein Spiel am Wochenende und das passte eigentlich. Aber ich wusste auch, so reicht es nicht zum Profi.»

Er setzte alles auf eine Karte, brach die Lehre ab, arbeite zwar weiter bei Rivella, aber nur 50 Prozent. Montag bis Mittwoch. Donnerstag und Freitag trainierte er für sich – Joggen, Fitness, Kraftraum. Wenn Burim Kukeli heute über diese Anfänge spricht, erzählt er nicht, sondern erklärt. Wie ein Vater, der die Entscheidungen seines Sohnes rechtfertigt. Emotional und ehrlich. «Ich wollte es zumindest versuchen, voll auf Fussball setzen. Wenns nicht geklappt hätte, wärs kein Weltuntergang gewesen, aber versuchen wollte ich es.»

Als Schötz Abstieg, blieb Burim Kukeli, auch wenn Angebote aus der Challenge League auf dem Tisch lagen. «Ich wollte in die Super League, die Challenge League wäre nur eine weitere Zwischenlösung gewesen.» Burim Kukeli stieg mit Schötz sofort wieder in die 1. Liga auf und war in einer starken Mannschaft meist bester Mann auf dem Platz – seine Zusatzschichten zahlten sich aus.

Dann meldete sich die Super League. «YB lud mich zum Probetraining ein. Martin Andermatt war Trainer. Nach einer Woche drückten sie mir ein YB-Trikot in die Hand, mit meiner Nummer 18. Ich dachte, das ist es.» Aber YB meldete sich danach nie wieder und verpflichtet wenig später Sven Lüscher – vom SC Kriens.

«Es war eine komplett neue Welt für mich»

Derweil machte man sich andernorts Gedanken zu Burim Kukeli. Bruno Galliker wollte den bissigen Mittelfeldspieler schon zum SC Kriens holen und versuchte es dann als FCL-Sportchef erneut. Mit 24 Jahren unterschrieb Burim Kukeli im Winter 2008 seinen ersten Profivertrag beim FC Luzern.

«Es waren ein enormer Sprung für mich. Zwei Trainings pro Tag, das kannte ich nicht. Ich musste mich auch an die Aufmerksamkeit als FCL-Spieler gewöhnen. An alles was abseits des Feldes passierte. Medientermine, Autogrammstunden, Sponsorentermine. Es war eine komplett neue Welt für mich.» Eine Welt die ihn Anfangs fast zu verschlingen drohte. Eine Verletzung vermieste ihm den Saisonstart. Reha statt Trainingslager.

Fortan war die Verletzungshexe eine konstante Begleiterin in Burim Kukelis Laufbahn, aber auch sein unbändiger Wille jedes Mal auf den Platz zurück zu kommen. Als sich Burim Kukeli in seiner ersten FCL-Saison schliesslich durchgesetzt hatte und regelmässig spielte, zog ihn ein Meniskusriss monatelang aus dem Verkehr. Die Ärzte legten ihm ein Karriereende nahe. Er aber fand den Weg zurück. Suchte sich einen eigenen Physiotherapeuten der die Muskulatur im lädierten Knie behutsam aufbaute «und ich trainierte wie ein Wahnsinniger – dreimal pro Tag. Heute würde ich das nicht mehr machen. Im Nachhinein war es nicht gesund für meinen Körper.»

Luzern verliess er nach vier Jahren als etablierter Super-League-Spieler und wechselte zum FCZ. «Ich wäre gerne geblieben, auch für weniger Geld. Aber sie wollten den Vertrag mit mir nicht mehr verlängern.» Zürich wurde für Burim Kukeli allerdings zum Glücksfall. Er holte 2016 den Cupsieg und etablierte sich als Nationalspieler Albaniens.

«Dabei sagte ich das erste Nati-Aufgebot ab, weil sich die Verantwortlichen erst drei Tage vor meinem Ferienstart meldeten. Ich sagte ‘sorry, ich kann nicht, ich habe Ferien gebucht’. Danach rechnete ich eigentlich nicht mehr mit einem Aufgebot.» Dann aber kam einige Wochen später eine SMS mit der Frage ob er Lust auf das nächste Länderspiel habe. Hatte er, und Zeit auch.

«Vor der EM-Partie gegen die Schweiz habe ich mir gesagt: Geniesse den Moment, du gewinnst ja sowieso»

Am 7. September 2012 machte Burim Kukeli dann sein erstes Länderspiel für Albanien gegen Zypern in der EM-Quali. Albanien gewann 3:1. Vier Jahre später qualifizierten sich die Albaner mit Burim Kukeli nach einer Wahnsinns-Qualifikation zum ersten Mal für eine EM-Endrunde. «In dieser Zeit habe ich wohl alles erlebt, was es im Fussball zu erleben gibt.» Albanien besiegte in der Quali Portugal.

Burim Kukeli duellierte sich mit Cristiano Ronaldo und Pepe. «Gegen Portugal hast du als Albanien eigentlich keine Chance. Das ist ein anderes Level. Aber als Team haben wir es trotzdem einmal geschafft sie zu bezwingen.» Und Ronaldo? «Keine Spur von Arroganz, sehr umgänglich und kollegial. So wie eigentlich alle Topstars. Schwieriger sind die Spieler, die das Niveau eines Topstars nicht erreichen, aber sich wie einer aufführen.»

Die Grössen des Geschäfts warteten auf Burim Kukeli und Albanien an der Europameisterschaft 2016 in Frankreich – acht Jahre nachdem Burim Kukeli vom Teilzeitfussballer in Schötz zum Vollzeitprofi beim FC Luzern aufgestiegen war.

«Vor der EM-Partie gegen die Schweiz habe ich mir gesagt: Geniesse den Moment, du gewinnst ja sowieso. Und es war wirklich etwas vom Schönsten. Schweizer und Albaner feierten zusammen im Stadion. Auf dem Feld war es ein intensives, umkämpftes aber ein sehr faires Spiel. Ich glaube diese Partie hat dem Ansehen der Albaner in der Schweiz gut getan – und eigentlich habe ich als Schweizer ja auch 1:0 gewonnen.»

Burim Kukeli lacht laut, als ihm dieser Satz über die Lippen huscht. Auf die Schweiz folgte Frankreich. 60’000 Zuschauer in Marseille. Griezmann, Pogba und Kanté. «Es war gigantisch, was Frankreich auf den Platz gebracht hat. So eine Qualität habe ich nie wieder gesehen. Pogba kam erst in der zweiten Halbzeit und es war sofort ein ganz anderes Tempo im Spiel.» Frankreich schoss zwei Tore in der 90 und 96 Minute. Albanien war draussen. «Für mich war die EM wie der Besuch in einer anderen Welt. Er ging einfach zu schnell vorbei.»

«Es ist für mich etwas Neues. Ich muss beim SCK mehr Verantwortung übernehmen.»

Zu Hause in der Schweiz wartete die Challenge League mit dem FCZ. Zürich statt Paris. Drei Rentner und zwei Hunde als Zaungäste beim Training, nicht mehr 60’000 Menschen wie im Stade Vélodrome. «Das war mental etwas vom Schlimmsten, in Brunau für die Challenge League Saison trainieren zu müssen direkt nach der EM.» Ein Jahr später nahm Burim Kukeli als Aufsteiger in die Super League Abschied von Zürich.

Beim FC Sion unterschrieb er einen Zweijahresvertrag. «Sion wird mein letzter Wechsel, dachte ich. Dort werde ich es abschliessen.» Es kam anders. Bloss vierzehn Partien absolvierte er für die Walliser. Den Rest verpasst Burim Kukeli verletzungsbedingt. «Nach zwei Jahren wurde mein Vertrag in Sion nicht mehr verlängert. Da kann ich niemandem einen Vorwurf machen. Ich war schlicht zu oft verletzt.

Aber wenn die bei Sion gewusst hätten, dass ich nochmals auf das Niveau komme wie hier in Kriens, hätten sie wohl verlängert.» Die sportliche Zukunft offen, erreichte Bruno Galliker Burim Kukeli in den Ferien. «Es war ein gutes Gespräch und am Ende entschied mein Herz, es beim SCK zu versuchen.» Also zurück in die Innerschweiz, dorthin wo 2008 alles mit einem Anruf von Bruno Galliker anfing. «Es ist für mich etwas Neues. Ich muss beim SCK mehr Verantwortung übernehmen. Für die Jungs und für den Verein. Aber ich fühle mich sehr wohl hier, auch auf dem Platz. Ich hoffe das merkt man.»

Hinweis: Dieser Artikel erschien im letzten Clubheft des SC Kriens.