Von Kannibalen und Bombenlegern

Ein Kommentar von Anthony Bürgisser, Spieler SC Kriens

Stell dir vor, du bleibst mit einem Kannibalen und einem Bombenleger mit tickender Zeitbombe im Gillet im Lift stecken. Das kommt nicht gut. Der Kannibale bindet sich bereits das Lätzchen um, nimmt das Aromat hervor, kommt auf dich zu … und klappt zu Boden. Der Bombenleger hat ihn mit einer Zündschnur erdrosselt. Er schaut dich nun an und sagt mit roten Augen: «Alles gut, ich will dir nur helfen».

Ja, alles gut? Und jetzt mal überlegen: Der Kannibale, das sind die Initianten der «New Super League» und der Bombenleger ist die Uefa. Im übertragenen Sinn natürlich. Und du als kleiner Fan. So präsentiert sich die Lage nach der Muppet-Show am Montag.

Über die Initianten der «Super League» verlieren wir keine Worte. Man fragt sich nur: Haben diese Herren keinen Hausarzt, der ihnen sagt: «Ich gebe Ihnen jetzt besser eine starke Spritze und dann schlafen wir mal einen Monat durch. Dann kommen wir wieder auf ganz andere Gedanken.»

Aber: Dass die Uefa die Rettung des Fussballs sein soll, das ist naiv. Dieselbe Uefa hat soeben die Champions League auf gefühlte 1800 Spiele im Jahr erweitert. Teilnehmen werden alle, die bereits an der Kannibalen-Liga beteiligt waren. Dazu ein paar andere Klubs als Deko. Faktisch gibt es die Kannibalen-Liga also bereits. Nur das Make-up ist verschieden.

Könnte uns eigentlich alles egal sein. Dumm nur, dass auch wir darunter leiden. Wir als Fans und als Verein SC Kriens. Wir sind die Dummen, die die Rechnungen selbst jetzt pünktlich bezahlen, unter starken Einschränkungen.

Mit den Kannibalen-Ligen wächst der Eindruck: «Der Fussball» ist gierig und nicht von dieser Welt. Wie eine Sekte. Aber es gibt nicht «den Fussball». Wir sind auch «Fussball», ja wir waren es sogar zuerst. Fussball ist dann entstanden, als ein Ball auf eine Wiese rollte und Menschen ihm nachjagten.

Schmerzhaft für uns ist, dass auch wir als Verein oft in denselben Topf mit allen andern geworfen werden. Dabei geht unter, was Fussball in einem Verein wie bei uns heisst und bedeutet.

Zahlen gefällig? Bitte:
Beim SC Kriens sind rund 800 Fussballerinnen und Fussballer aller Altersstufen am Spielen, betreut werden sie unter anderem von über 70 ehrenamtlichen Trainerinnen und Trainern. Es gibt ein Sackgeld, für das Spieler aus der Kannibalen-Liga nicht einmal ihre Likes auf Insta zählen würden. Insgesamt laufen so ca. 4’700 Minuten Fussball pro Woche auf dem Kleinfeld – die Spiele am Wochenende nicht mitgerechnet, und ohne, dass jemand dabei nur einen Franken verdient. Gratis Fussball sozusagen? Ja, das gibt es. Bei uns.

Im Sommer lädt die Uefa zu einer EM. Sie beharrt darauf, dass die Stadien gefüllt sein müssen (!), sonst «darf» man nicht Gastgeber sein. Corona? Inexistent. 2022 folgt Katar. Da ist längst alles gesagt.

Nur: Mit jedem Champions League-, EM- und WM-Spiel das wir einschalten, setzen wir uns mit den Kannibalen und Bombenlegern wieder in den Lift. Freiwillig.

Diesen Samstag spielt der SC Kriens gegen Wil daheim (Kleinfeld, 18:15 Uhr). Es geht nicht um Milliarden, sondern um drei Punkte gegen den Abstieg. 100 Fans dürfen ins Stadion. 100 grünweisse Herzen. Und keine Kannibalen. Auf zur Mission Klassenerhalt.