Davon redet die ganze Fussball-Schweiz: Was für ein sonntägliches Fussballfest in Kriens! Der SC Kriens wirft das Super-League-Team Thun sensationell aus dem Cup.

Der FC Thun ging schon nach neun Minuten durch Mittelstürmer Simone Rapp in Führung. Doch danach sorgten die zwei Ligen tiefer spielenden Krienser für die grossen Aufreger. In der 35. Minute hatte Wohlen-Zuzug Michael Weber ganz allein vor dem Thun-Tor stehend die 300-prozentige Chance, den Ball zum 1:1 einzuschieben, platzierte seinen Flachschuss aber zu weit links. Und kurz vor dem Halbzeitpfiff zwang Verteidiger Chris Kablan mit einer spektakulären Direktabnahme an der Strafraumgrenze Thun-Torhüter Francesco Ruberto zu einem unglaublichen Luftsprung.

Am insgesamt harmlosen Auftritt der Gäste änderte sich auch nach dem Seitenwechsel nichts. Das nützten die leidenschaftlich weiterkämpfenden Krienser in der 73. Minute zum 1:1-Ausgleich: Nico Siegrist stand nach einem schönen Zusammenspiel mit Weber plötzlich schussbereit vor dem Thuner Tor und versenkte eiskalt. Nun lag die Cup-Sensation in der Luft. Und siehe da: Der Oberligaklub aus Thun war nicht zur Reaktion fähig, musste im Gegenteil das 1:2 hinnehmen.

Krienser Kleinfeld ein Tollhaus
Was für ein herrlicher und viel umjubelter 2:1-Treffer! Der eingewechselte Skumbim Sulejmani (siehe Artikel oben) verwandelte das Krienser Kleinfeld-Stadion mit seinem Kunstschuss in der 83. Minute in ein Tollhaus. Am Strafraum angespielt, schlenzte Sulejmani den Ball unhaltbar ins entfernte hohe Toreck.

Kriens-Trainer Marinko Jurendic sagte nach dem Schlusspfiff: «Wir waren darauf vorbereitet, in Rückstand geraten zu können. In der Pause haben wir einige Feinjustierungen vorgenommen und danach schneller nach vorne gespielt. Das Spiel, das wir gesucht haben, haben wir gefunden.»

Andres Gerber, der Sportchef der Thuner, attestierte den Kriensern einen «verdienten Sieg. Wir müssen uns schon ein bisschen schämen. Ein solches Ausscheiden ist eine Schmach, eine Lektion, aber kein Weltuntergang.»

Telegramm SC Kriens – FC Thun 2:1 (0:1)
Kleinfeld. – 1600 Zuschauer. – SR Fähndrich.
Tore: 9. Rapp 0:1. 73. Siegrist 1:1. 83. Sulejmani 2:1.
Kriens: Osigwe; Kablan, Fäh, Hasanaj, Fanger; Wiget (81. Stojanov), Bürgisser, Fernandes (60. Allou), Weber; Siegrist, Thali (69. Sulejmani).
Thun: Ruberto: Bigler (46. Glarner), Schindelholz, Bürki, Schirinzi; Fassnacht, Lauper, Peyretti, Tosetti (85. Markovic); Sorgic (56. Carlinhos), Rapp.
Bemerkungen: Kriens ohne Bem und Fischer (verletzt). Thun ohne Hediger (gesperrt), Ferreira, Geissmann, Zino, Dzonlagic und Reinmann (alle verletzt). Verwarnungen: 31. Bigler (Foul), 76. Weber (Foul), 89. Bürgisser (Foul).

Am Dienstagmittag sind im Haus des Fussballs in Muri die Cup-Sechzehntelfinals ausgelost worden. Der SC Kriens trifft am 17. oder 18. September auf den 1. Ligist FC Azzurri 90.

Seine Frau hat es prophezeit
Siegtorschütze Skumbim Sulejmani schwärmt: «Ich muss mich bei meiner Ehefrau Güliz bedanken.»

Da wird der eine oder andere nicht fussballaffine Krienser Kleinfeld-Nachbar am Sonntagabend verärgert die Fenster geschlossen haben. Im Stadion toben die Fans, es wird geschrien, gejohlt, gefeiert: Skumbim Sulejmani hat in der 83. Minute das 2:1 geschossen. «Ich weiss, dass ich einen guten Schuss habe, und ich habe mich die ganze Woche darauf fokussiert, meine Chance zu nutzen, wenn sie dann kommen sollte», erzählt Sulejmani hinterher im allgemeinen Jubel und Trubel auf dem Kleinfeld-Rasen. «Dieses Tor und mein einziges Super-League-Tor für den FC Luzern gegen den FC Zürich – das sind wohl meine beiden grössten Treffer.» Und so ganz nebenbei erwähnt Sulejmani, dass er, der dieses Cup-Tor des Jahres mit dem linken Fuss erzielt hat, eigentlich Rechtsfüsser sei.

Die Motivationsarbeit der Ehefrau
Der als kaufmännischer Angestellter bei einem Broker in Zug arbeitende Sulejmani wurde Anfang Monat, am 2. August, 30 Jahre alt. «Ich bin nicht so der Geburtstagstyp», erzählt er, «Geburtstage bedeuten mir nicht so viel. Ich war mit meiner Frau Güliz fein essen, das wars auch schon.» Doch die Türkin Güliz, seit vier Jahren mit ihrem Skumbim verheiratet, sollte dann rund zwei Wochen später, kurz vor dem Cupspiel gegen Thun, eine wichtige Rolle spielen. Sie, die selber zwei Jahre für Zug 94 kickte und Skumbim seit 13 Jahren kennt, leistete offenbar hervorragende Motivationsarbeit. «‹Du wirst eingewechselt und schiesst ein Tor›, hat sie mir vor dem Spiel gut zugeredet, und so ist es dann auch gekommen.»

Güliz erlebt den Sonntagsschuss ins Krienser Cupglück selbstverständlich im Stadion mit, nur Labrador Brownie musste ausnahmsweise daheim bleiben. Normalerweise darf der Hund des Ehepaars Sulejmani mit an die Krienser Spiele, doch die hohe Zuschauerzahl beziehungsweise der unüblich hohe Lärmpegel hätten Brownie nur nervös gemacht. «Brownie hat sich dann spätabends zusammen mit mir und Güliz das 2:1-Tor noch vor dem TV-Gerät angeschaut», sagt Skumbim Sulejmani mit einem Augenzwinkern.

Dabei hat Sulejmani eigentlich keine einfache Zeit hinter sich. Beim SC Kriens sitzt der Albaner aus Mazedonien seit dem Saisonstart auf der Ersatzbank, weil er zuvor sieben Wochen lang verletzt war. «Es passierte in meinem letzten Spiel für Zug 94, übrigens gegen die U-21-Mannschaft des FC Thun, als ich mir eine Zerrung zuzog.» Pikant: Sulejmani erzielte auch gegen Thuns U 21 das 2:1, wurde danach aber einfach diese hartnäckige Zerrung nicht los. «Ich bin immer noch nicht hundertprozentig fit», sagt Sulejmani nach der Cup-Sensation, «ich bin erst bei vielleicht achtzig Prozent angelangt.»

Als Kriens-Trainer Marinko Jurendic am Sonntag befiehlt, dass Sulejmani sich warmlaufen solle, habe sich der Stürmer zuerst an die Worte seiner Frau Güliz erinnert und danach fokussiert den Anweisungen des Coaches gelauscht. «Der Trainer hat mir gesagt, dass ich an meine Stärken glauben und die Thuner Abwehrreihe beschäftigen soll. Und dann habe ich mir gedacht: Diese Thuner, Super League hin oder her, die kochen ja auch nur mit Wasser.»

Weiterhin auf der Landkarte
Sportredaktor der Neuen Luzerner Zeitung Turi Bucher über den Cup-Triumph des SC Kriens.

Der SC Kriens hat ruppige Zeiten hinter sich. Mit dem Abstieg aus der Challenge League im Jahr 2012 riss ein finanzielles Millionenloch den Klub aus der Luzerner Agglomeration beinahe ins Verderben. Wenig fehlte, und Kriens wäre definitiv für lange Zeit von der Schweizer Fussball-Landkarte verschwunden.

Doch typisch SCK: Der sympathisch und im familiären Stil geführte Verein lässt sich einfach nicht kleinkriegen. Dank einem vernünftig agierenden Vorstand und einer klug planenden sportlichen Chefetage hat sich der SC Kriens in der dritthöchsten Schweizer Liga, der Promotion League, wieder eine dominante Rolle erkämpft. Mit einer Rückkehr in die Challenge League darf zumindest wieder schüchtern geliebäugelt werden. Und im Juniorensektor sind die Krienser sowieso schon jahrzehntelang als hervorragende Talentförderer landesweit respektiert.

Und nun dieser Cup-Coup. Das tut gut. Die Krienser tragen sich damit nicht nur ins Geschichtsbuch des Schweizer Cups ein. Gerade jetzt, wenn die nächsten wichtigen Schritte betreffend Stadionumbau erfolgen sollen, manifestieren die Krienser Fussballer: Hier sind wir, neben dem grossen Nachbar FCL standhaft und tapfer kämpfend. Wir wollen ein wichtiger Standort auf der Schweizer Fussball-Landkarte bleiben.