In der sehr empfehlenswerten Doku-Serie «Mein Verein» des WDR (zum Bericht) werden Klubs wie Dortmund, Schalke, Köln oder Gladbach portraitiert. Ihre Geschichten, ihre Mythen, ihre Fans und was sie heute noch bedeuten. Dortmund-Boss Hans-Joachim «Aki» Watzke spricht viel und gerne, meist auch ungefragt. In der Doku sagt er aber den interessanten Satz: «Fussball ist das letzte Thema, an dem alle teilhaben und mitreden wollen. Kirche, Parteien, Organisationen – das interessiert nur noch einzelne. Der Verein ist die letzte Heimat.»
Das erklärt, warum die Stimmung um den Fussball in den letzten Wochen und Monaten derart emotional geworden ist. Mit den Geldsummen, die im Moment im bezahlten Fussball zirkulieren, verliert der Fussball seine Bodenhaftung. Schuld sind die Löhne, aber auch die Besitztümer. Und ob ein Verein noch langen allen gehört, also seinen Mitgliedern? Zweifel sind angebracht.
Fussball verliert die Treue der Fans
In einigen Klubs in ganz Europa gehen die Fans auf die Strasse, werden in den Stadien Transparente entrollt und gegen die schleichende Enteignung protestiert. Teils zeigen sich Szenen, die an Demonstrationen auf Leben und Tod erinnern. Es geht aber um Fussball. Warum diese Verzweiflung? Wie es Watzke sagt: Der Fussball und der Verein sind das letzte emotionale Lagerfeuer in einer immer hektischeren und globalisierten Welt, an dem alle Platz nehmen dürfen. Bis jetzt jedenfalls. Viele Fans haben dem Verein ein ganzes Leben lang die treu gehalten, haben ihn als Begleiter durch ihr Leben erlebt. Vom Kind zum Mann (und heute auch immer mehr bis zur Frau). Diese Treue und diese Heimat kommen dem Fussball abhanden.
Vereine leben dank Sponsoren, aber sie Überleben dank einer Seele und ihren Mitgliedern. Egal in welchen Ligen.
Hört man heute Vereinspräsidenten – und nicht nur auf Champions League-Level, der Wahnsinn sickert auch in andere Ligen runter – hört man also heute Vereinspräsidenten von ihrem Verein sprechen, klingt dies oft, als handle es sich um eine Nestlé-Aktie oder um ein Finanz-Investment. Das macht einem als Fussball-Fan Angst. Aber wir sind auch selber schuld: Wer sich nur noch vom Hochglanz-Fussball benebeln lässt, Merchandising kauft, jedes müde Champions-League-Gekicke anschaut und nie mehr bei seinem örtlichen Verein auftaucht, der dreht ebenfalls am Galgenstrick des Fussballs.
Hausaufgabenhilfe vom Verein
Jammern hilft wenig. Es gibt aber Chancen etwas dagegen zu tun: Als kleiner Verein konsequent einen Gegegenwert zu leben. Vereine als Heimat. Als Gemeinschaft. In Essen beispielsweise (Ruhrpott, 4. Liga) bietet der Klub Kindern aus schlecht gestellten Familien die Möglichkeit an, die Hausaufgaben unter Begleitung von Lehrern im Stadionheim zu machen. Gratis. Der verein hilft der Stadt und umgekehrt. Ein Verein ist eben mehr als nur Fussball. Aber es liegt auch an den Fans, ihren Verein zu unterstützen. Als Zuschauer, aber auch als Mitglied und eventuell auch in ehrenamtlichen Funktionen. Vereine leben dank Sponsoren, aber sie überleben dank einer Seel und ihren Mitgliedern. Egal in welchen Ligen.
Sonst geht der Ofen irgendwann aus. Und es wird niemand sagen können, man hätte es nicht kommen sehen.
*Geschrieben von Oliver Kraaz. Geboren am 31. August 1970. Oliver Kraaz ist ein ehemaliger SC-Kriens-Junior. Er lebt mit seiner Familie in Zürich und ist seit 40 Jahren bedingungsloser SCK-Fan.