
Bereits seit Jahren gibt es in der Coca-Cola Junior League Konflikte bei Juniorenspielen im Tessin. Einige betroffene Trainer haben beschlossen dies nicht mehr länger wortlos hinzunehmen. Dies auch zum Schutz der eigenen Junioren.
REGIOfussball.ch berichte bereis in den letzten Tage über aktuelle Zwischenfälle mit Innerschweizer Teams im Tessin. Das Team Obwalden («Brutalität im Tessin») ist dabei genau so betroffen wie das Team Sempachersee («TSS im Tessin mit Steinen beworfen»). Und es dürften weitere folgen.

Roger Lang, Trainer der B-Junioren Team Seetal, hat in seiner kurzen Laufbahn als Trainer in der Coca-Cola Junior League bereits prägende Erfahrungen mit seiner Mannschaft im Tessin gemacht. Hier ist seine persönliche Meinung basierend auf seinen persönlichen Erfahrungen:
Ich bin seit Sommer 2018 Trainer der B-Junioren des Team Seetals. Ich wurde vorgewarnt, wie die Spiele im Tessin ablaufen, dachte aber, das sei doch alles übertrieben und doch nicht so schlimm. Ich habe mich getäuscht.
Es ist an Spielen im Tessin nicht unüblich, dass an allen Ecken und Enden provoziert, getreten, geschlagen, gespuckt und auch geprügelt wird. Das Spiel gegen Mendrisio am 4. November 2018 hat mir aber den Rest gegeben. Ein Trainer, der seine Spieler aggressiv anstachelt, bei einer Entscheidung des Schiedsrichters (gelbe Karte) AUF das Spielfeld rennt, den Schiedsrichter und meinen Spieler anschreit. Eltern, welche vom Spielfeld geschickt werden müssen, weil Sie die Kinder anschreien und ein Spieler, welcher mit einer Tätlichkeit, während dem das Spiel läuft und der Schiedsrichter auf das Spielgeschehen achtet, mit einem Ellbogenschlag meinen Spieler so verletzt, dass er zusammenbricht, das Gleichgewicht verliert und mit einem blutenden Ohr und Gleichgewichtsstörungen ins Spital eingeliefert werden muss. Er musste in die Röhre. Gottseidank ist der Gehörgang und das Trommelfell okay, er trägt keine bleibenden Schäden davon, jedoch musste er im Ohr genäht werden und im Spital im Tessin übernachten. Diagnose: leichtes Schädel-Hirn-Trauma. Ihm geht es mittlerweile wieder gut.
Nach dem Spiel in Mendrisio gab es eine Rudelbildung, ausgelöst durch die Spieler des FC Mendrisio. Nur mit Mühe und lauter, strenger Stimme sowie massivem Körpereinsatz, konnte ich meine Spieler zurückbeordern und die Kabine «bewachen», so dass keiner noch mehr ausrastet. Die Mendrisio-Spieler konnten es aber auch dann nicht lassen zu provozieren und wollten unter Vorwänden wie «ihr habt noch eine Flasche von uns» oder «ihr habt uns einen Ball geklaut» unsere Kabine betreten. Das habe ich verhindert, um weitere Ausschreitungen zu vermeiden. Das gegnerische Trainergespann befand sich beim Kaffee auf der Tribüne und waren nicht im geringsten daran interessiert, die Situation zu entschärfen. Dass wir dann beim Wegfahren mit unserem Car von gegnerischen Spielern noch den Stinkefinger gezeigt bekommen, war noch das harmloseste. Schliesslich haben wir verloren, wieso muss man dann noch weiterprovozieren?
Ich bin einer, der seit 8 Jahren meiner Trainertätigkeit eigentlich noch nie Probleme mit Schiedsrichtern hatte. Im Gegenteil: Ich war 6 Jahre im Vorstand des FC Hochdorf, war für unsere Schiedsrichter verantwortlich und weiss, wie wichtig Schiedsrichter sind und wie schwierig es ist, Schiedsrichter zu finden. Auch habe ich viele Schiedsrichterfreunde die mich einschätzen können. Ich schätze die Arbeit unserer Schiedsrichter wirklich sehr.
Doch ist es so, dass wenn man ins Tessin fährt, schon 1:0 zurückliegt, bevor das Spiel überhaupt gestartet ist. Es wird mit unterschiedlicher Strenge gepfiffen. Wieso mein Spieler damals eine gelbe Karte für einen Schubser gekriegt hat, der Gegner aber für dieselbe Tat keine gelbe Karte gekriegt hat, ist mir unerklärlich. Wieso der gegnerische Trainer erst nach dem zweiten Mal Betreten des Spielfeldes auf die Tribüne geschickt worden ist, ist mir ebenfalls unerklärlich. Wieso die Tätlichkeiten und das Nachschlagen zwar gesehen, aber nur mit einer mündlicher Ermahnung geahndet werden, ist mir ebenfalls unerklärlich. Zudem führten klare oder zumindest streitbare Schiedsrichterentscheidungen zu Punktverlusten im Tessin.
Spannend ist es zu sehen, dass gegen Saisonende, wenn es gegen den Abstieg geht, die Tessiner Mannschaften plötzlich Heimstark werden und beginnen, gegen die Innerschweizer zu gewinnen. Zu Saisonbeginn gewinnen eher die Innerschweizer Teams, oder es gibt zumindest ein Unentschieden. Ich wage zu behaupten, die Tessiner Mannschaften haben einen 12. Mann, wenn Sie zuhause Spielen. Dieser 12. Mann fehlt uns in der Innerschweiz. So bin ich im Spiel gegen Zug 94 für «ständiges Reklamieren» vom Platz geflogen. Ja, ich habe mich über eine Schiedsrichterentscheidung aufgeregt und habe mit den Worten «pfeiffen Sie doch ausgeglichen, sie kosten uns 3 Punkte im Abstiegskampf» reklamiert. Jedoch nur einmal. Als Tessiner im Tessin wäre ich dafür nicht vom Platz geflogen, eine mündliche Ermahnung hätte es bei mir auch getan und ich wäre sofort ruhig gewesen. Nun hatten wir deshalb 6 Strafpunkte und ich eine Busse. Vielleicht war die Entscheidung mich vom Platz zu schicken korrekt. Ich behaupte jedoch, dass ich im Tessin als Tessiner Trainer nicht weggeschickt worden wäre, ohne zuerst ermahnt zu werden.
Zusammenfassend kann ich sagen, dass ich an der Zusammenarbeit mit dem Tessiner Verband keinen Vorteil sehe, im Gegenteil: Wir werden vom Schiedsrichter benachteiligt, es kostet die Vereine viel Geld (Car und Essen) und die Spieler werden nicht geschützt. Ich hatte sogar Probleme, genügend Spieler zu finden, welche mit ins Tessin reisen wollen, weil die Spieler einfach keine Lust mehr haben, einen ganzen Tag zu opfern und schlussendlich mit Blessuren und einer Niederlage im Stau nach Hause zu fahren.
Eine Meldung ging gleich nach dem Spiel an den Innerschweizer Fussballverband (IFV). Ich erhielt darauf die Antwort, dass man vom Tessiner Fussballverband (FTC) eine Stellungnahme einfordert. Weiter habe ich nichts mehr gehört, das Ganze scheint im Sand verlaufen zu sein, genau wie die anderen (und jetzt, kaum hat die Saison wieder begonnen, aktuellen) Vorfälle im Sande verlaufen werden, wenn nicht endlich gehandelt wird und der FTC in die Pflicht genommen wird – insbesondere zum Schutz der jungen Fussballer.