«Die Zukunft soll man nicht voraussehen, sondern möglich machen.»

Zitat: Antoine de Saint-Exupéry

Vieles, was wir erreichen, beginnt zuerst im Kopf. Fast immer stecken dahinter aber Emotionen. Und schliesslich helfen Visionen, die Vorsätze und Ideen erfolgreich umzusetzen. In der Folge ist aber entscheidend, welchen persönlichen Beitrag man dabei leistet, und wie viel man investiert.

Das ist auch bei Bradley Fink, einem der zurzeit grössten Talente im Schweizer Fussball nicht anders. Im Sommer 2019 wechselte der ehemalige Chamer Junior Bradley Fink vom FC Luzern U16 zum BVB nach Dortmund, um den nächsten Entwicklungsschritt zu machen. Wir sprachen mit Bradley über das erste halbe Jahr bei den Schwarz-Gelben im Ruhrpott.

Tatendrang und rasche Eingewöhnung
Nachdem Bradley sich im Sommer 2019 für den Schritt zum BVB entschlossen hatten, konnte er es kaum erwarten, im BVB-Leistungszentrum in Brackel zu beginnen. Da er noch bis Ende Juni in den Cup- und Meisterschaftsfinalspielen für die U16 des FC Luzern im Einsatz gewesen war, hatte der BVB Bradley einen um zwei Wochen späteren Einstieg in die Saisonvorbereitung angeboten. Der Schweizer U17 Nationalspieler wollte jedoch von Anfang an mit dabei sein und rückte so wie seine neuen Mitspieler am 8. Juli 2019 zur Saisonvorbereitung ein. «Wir hatten ohnehin schon recht wenig Zeit, um uns aneinander zu gewöhnen und ich wollte einfach von Anfang an Zeichen setzen, dass ich mir keine Extrawürste rausnehme und im Team voll mitziehe», erklärt Bradley, der zunächst vom Tempo in Deutschland überrascht war. «Während den ersten drei bis vier Trainings bin ich ob dem höheren Tempo und der Intensität schon etwas erschrocken. Aber dann konnte ich mich doch recht rasch daran gewöhnen.»

Ganz andere Dimensionen
Sehr rasch wurde klar, dass Deutschland den Fussball anders lebt und das Umfeld auch ein anderes ist. Allein der Betreuerstab für die U17 umfasst neun Personen und da ist noch nicht einmal der Talentmanager dabei, der das Bindeglied zwischen Nachwuchs und 1. Mannschaft ist. Und diese Quantität hat auch enorme Qualität. «Es mangelt uns Spielern an absolut nichts, unser Umfeld ist top professionell».

Vor allem die zweimal wöchentlich angesetzten positionsspezifischen Stürmertrainings haben es Bradley angetan und die Matchanalysen mit dem Talentmanager Otto Addo. «Nach jedem Spiel sitzen wir zusammen und analysieren zu zweit das letzte Spiel und er gibt mir wertvolle Tipps zur Verbesserung», zeigt sich Bradley von der individuellen Betreuung begeistert.

Auch medial weht in Deutschland ein anderer Wind: «ich bin fast etwas erschrocken, als ich nach den Leistungstests am zweiten Trainingstag bereits ein Interview für die Ruhrnachrichten geben durfte». Die vielen Berichte in diversen Medien und Foren habe ich mitbekommen, aber das hat sich nach einigen Wochen auf die Spielberichte reduziert. «Ich lasse mir dadurch auch keinen Druck aufladen. Klar wurde die Erwartungshaltung geschürt, das habe ich auch bei den Posts von vielen BVB Fans gemerkt aber mein Entwicklungsplan ist ein mittel- bis langfristiger, im Normalfall also jetzt noch 2 ½ Jahre Feinschliff im Nachwuchs.»

Bradley Fink im Einsatz beim BVB (Bild: ZVG).

Chemische Schwankungen und Torschützenkönig
Die ersten Wochen und Monate standen im Zeichen des Kennenlernens und Eingewöhnens. Als Spiegelbild dient da wohl am besten das Vorbereitungsturnier, der «U17 Bundesliga Cup»: «Am ersten Turniertag lief gar nichts, das Zusammenspiel fand nicht statt, ich war als Stürmer isoliert und völlig frustriert; wir wären fast aus dem Turnier ausgeschieden. Am 2. Tag war alles wie verwandelt, das Kombinations- und Zusammenspiel funktionierte plötzlich wie am Schnürchen, wir kamen noch in das Halbfinale (welches erst im Penaltyschiessen verloren wurde) und ich wurde Torschützenkönig des Turniers. Da sahen wir auch das Potenzial der Mannschaft». Das ist aber auch normal. In Luzern war der Kern des Teams 9 Jahre zusammen, da kannten meine Mitspieler meine Laufwege blind. Das muss hier alles noch wachsen, wird aber mit jedem Training und jedem Spiel besser.

Ein Daheim weg von Daheim
In Dortmund schläft Bradley 4 Nächte pro Woche im Internat mit 24 Spielern aus 3 BVB Nachwuchsteams. Das war schon eine grosse Umgewöhnung. «Mit Ausnahme von Trainingslagern war ich noch nie länger von daheim oder meinen Eltern weg gewesen. Ich wurde aber gut aufgenommen, wir haben zwei 5-Sterne-Köche, die uns sportlergerechte Nahrung gemäss unseren Bedürfnissen und Wünschen zubereiten. Und das Zimmer gleich auf dem Trainingsgelände zu haben, hat viele Vorteile. Ich kann schnell mal auf den Platz, im Footbonaut oder im Fitnessraum trainieren und diese Möglichkeiten nutze ich auch». Von Donnerstag bis Sonntagabend wohnt Bradley jedoch am Phoenixsee, keine zehn Minuten Fahrzeit vom BVB-Trainingsgelände entfernt. «Dort haben meine Eltern eine kleine, aber feine Wohnung gemietet. Meine Mutter ist fast immer vor Ort und mein Vater kommt an den Wochenenden rauf». Diese regelmässige familiäre Zusammenkunft ist für Bradley sehr wichtig. Hier kann er abschalten und Kraft tanken.

Schule
Ein paar Herausforderungen gab es im ersten halben Jahr am Gymnasium in Brackel zu meistern. Vor allem das Überspringen der 10. Klasse brachte viel zusätzliche Schularbeit mit sich. Um in absehbarer Zeit bei den Profis regelmässig mittrainieren zu können, muss Bradley das Gymnasium zeitnah abgeschlossen haben, da sich Schulzeiten und Trainings der Profis überschneiden. «Mit Hinblick darauf wurde ich somit in die 11. statt 10. Klasse eingeschult, das ist kein Honiglecken – auch weil ich durch die U17-Nati viele Absenzen habe – aber es ist machbar und im Sommer 2021 habe ich es hinter mir.» Dennoch zehrt das schon an Bradleys Energie. «Vor allem Donnerstag und Freitag sind lange Schultage, da fühlte ich mich dann auf das Wochenende hin manchmal nicht ganz so frisch wie ich das gerne gehabt hätte», erklärt Bradley.

Meisterschaft und Champions League
In der Meisterschaft der Bundesliga U17-Gruppe West läuft es der U17 des BVB gut. «Da unsere Gruppe den Titelverteidiger stellt, qualifizieren sich zwei Teams aus der Westgruppe für die Meisterschaftshalbfinals, zu denen sich die Sieger der Gruppen Nord und Südwest (mit Bayern München) hinzugesellen», erklärt Bradley. Im Moment stehen die Dortmunder Borussen knapp hinter dem 1. FC Köln und drei Punkte vor Mönchengladbach auf dem 2. Rang, der für die Halbfinalqualifikation reichen würde. «Wir müssen einfach in jedem Spiel voll konzentriert sein, dann packen wir das.» In der Torschützenliste fehlen Bradley zurzeit zwei Tore auf Rang 1; auch weil er wegen einer Rotsperre mal drei Spiele verpasste: «Da kam ich beim Pressing mal etwas zu spät und kassierte eine allerdings harte Rote. Meine erste in all den Jahren Fussball. Somit können wir dahinter auch einen Haken machen», kann Bradley das Missgeschick mittlerweile mit Humor nehmen. Zu den bisherigen Saisonhöhepunkten gehört sicher auch der Champions League-Einsatz bei der U19 in Barcelona. Im Spiel der UEFA Youth League kam er zu einem erfolgreichen Teileinsatz: Mit dem 2:1-Auswärtssieg qualifizierte sich der BVB-Nachwuchs für die KO-Phase.

Heimat
Die seltenen Besuche in der Schweiz geniesst Bradley besonders. «Weil die Nati-Termine im Herbst mit Ausnahme der beiden Länderspiele gegen Österreich nur im Ausland stattfanden, bin ich halt selten in der Heimat.» Apropos Nati: die Schweizer U17-Nati konnte sich beim EM-Quali-Turnier in Rumänien für die nächste Quali-Runde (Elite-Runde), welche im März in Israel stattfindet, qualifizieren (Gegner: Spanien, Kroatien und Israel) und Bradley traf in jedem der Quali-Spiele gegen Rumänien, Russland und San Marino. Überhaupt läuft es dem Stürmer in der U17-Nati besonders gut. So konnte er letzten Herbst in sieben Länderspielen sieben Treffer erzielen. «Wir haben eine Top-Truppe und realistische Chancen, uns für die EM-Endrunde in Estland zu qualifizieren, sofern wir alle unser höchstes Niveau erreichen», ist Bradley von der Qualität seiner Mitspieler überzeugt. Ein zusätzlicher Bonus bei den Natiterminen ist natürlich, dass er dann wieder mit vielen Freunden vom FC Luzern zusammenkommt, die regelmässig im Aufgebot sind. «Es ist immer wieder super, die Jungs zu treffen mit denen ich so viele Jahre gespielt habe.»

Heimat ist aber auch das Eizmoos, «wo ich das Fussball-ABC gelernt habe; wo alles angefangen hat». So war es auch dieses Jahr Anfang Januar, als Bradley mit seinem Personal Trainer Björn Schulz die Vorbereitung auf die Rückrunde mit 2 Einheiten pro Tag begonnen hat. Björn Schulz hat die DFB-Elite Jugend-Lizenz und die A-Lizenz als Athletik Trainer und betreut zahlreiche Profisportler. Bradley macht mit ihm seit Sommer 2015 jedes Jahr die Vorbereitung nach der Sommer- und Winterpause und sinnvolle Zusatztrainings während der Saison.

«Ich bin dem SC Cham und da vor allem Pius Limacher und Manuela Wigger besonders dankbar, dass sie es mir ermöglicht haben, meine Einheiten auf dem Kunstrasen im Eizmoos bei besten Bedingungen durchzuführen. So kann ich schon mal mit etwas Vorsprung ins Mannschaftstraining einsteigen. Wenn Du besser sein willst als die anderen, musst Du mehr machen als die anderen», ist sich Bradley den Anforderungen bewusst, um im harten Konkurrenzkampf bestehen zu können.