Kein Fussball in der Schweiz, dafür Corona-Virus. Seit Tagen – und für weitere unbestimmte Wochen. Es soll unterdessen bereits verzweifelte Fussball-Fans geben, die mit Tipp-Kick Figuren Challenge League-Matches nachspielen und auf Ricardo für horrend viel Geld VHS-Kassetten mit alten NLA-Spielen (1987-1991) ersteigern – nur um den Fussball-Entzug zu mildern.

Spass beiseite.

Noch wissen wir nicht, wie lange das Corona-Virus den Fussball blockieren wird. Klar ist aber sicher, dass der Fussball selber von einem Virus befallen ist. Sein Symptom: er bewirkt eine stufenweise grösser werdende Entfremdung zwischen Fans und den Vereinen. Aus der Liebe, die stärker war als jede katholische Ehe in Polen, ist eine zerrüttete Ehe geworden.

Die Vereine erzählen treuherzig, dass sie nur für die Fans den Erfolg ermöglichen wollen. Und verkaufen drum den Klub an irgendwelche Investoren, die mit Vereinskultur so wenig am Hut haben wie ein Schlachthof-Besitzer mit veganem Essen.

Die Fans wiederum spüren, wie sie Schritt für Schritt aus dem Verein geschoben werden und fühlen sich in ihren Protesten unerhört. Und wie immer wenn jemand sich nicht erhört fühlt, vergreift er sich jämmerlich im Ton.

Das sieht man aktuell in Deutschland. Morgen kann es bei uns sein. Wenn Traditionsklubs nach Russland, China, in die Emirate oder andere tolle Fussball-Nationen verkauft werden.

Die Folgen sind leicht auszurechnen: Zuerst werden die Klubs verkauft, dann die Fernsehrechte. Und schon bald muss man zahlen, um seinen Klub zu sehen. Zahlen für etwas, zu dem man einmal gehörte.

Corona wird sich eindämmen lassen, das ist meine Hoffnung. Ob sich der Fussball so schnell erholen wird, wage ich allerdings zu bezweifeln. Einen Impfstoff gegen das Virus der Entfremdung gibt es nicht. Nur einen Rat: Die Vereine und die Fans tun gut daran, sich wieder anzunähern. Sie müssen ja nicht gleich wie im «Bachelor» mit einer Rose durchs Stadion rennen.

Ich finde die Banner gegen Hoffenheims Hopp saudumm. Ich möchte aber auch weder Karl-Heinz Rummenigge noch Dietmar Hopp oder Red Bull-Dieter Mateschitz zu meinem 50. Geburtstag einladen. Ich möchte einfach auch in Zukunft nur Fussball geniessen.

Tipp-Kick kann ich dann noch genug spielen.

* Autor Oliver Kraaz ist ein ehemaliger SCK-Junior. Seinen Spielstil beschreibt er als «Mix aus der Kampfbereitschaft eines Hakan Yakin und der Technik eines Andy Egli.» Er lebt mit seiner Familie als Auslands-Krienser in Zürich und ist seit über 40 Jahren bedingungsloser SCK-Fan. Im monatlichen Blog «92. Minute» schreibt Oliver Kraaz über seine persönliche Sicht auf unseren Fussball, in guten wie in schlechten Zeiten.