Djibril Cissé war eine grosse Nummer im Weltfussball. Inzwischen hat er ein künstliches Hüftgelenk und spielt für Yverdon-Sport. Eine Begegnung vor seinem morgigen Auftritt gegen den SC Kriens (18.00, Gersag).

Es ist ein garstiger Mittwoch in Yverdon. Regen peitscht nieder, die Temperaturen sind unfreundlich. Das Licht in der Buvette des Stade Municipal ist schummrig, die Lokalität hat bessere Zeiten gesehen. Bis 2006 fanden hier Spiele der Super League statt, ehe der unaufhaltsame Abstieg begann; Yverdon wurde bis in die viertklassige 1. Liga durchgereicht. Der Fall war tief, aber wenn das schon für den Klub gilt, was soll dann Djibril Cissé sagen? Der Franzose war einst einer der begabtesten und vor allem schillerndsten Mittelstürmer im europäischen Fussball, er gewann mit Liverpool 2005 die Champions League und gehörte zur französischen Nationalmannschaft. Jetzt sitzt Cissé (36) mit Irokesenschnitt und Bomberjacke eine Stunde vor Trainingsbeginn in einem Plastikstuhl, labt sich an einer dieser sauren grünen Gummischlangen aus Gelatine sowie einem Twix und erzählt über Fussball und aus dem Leben. Cissé ist nicht nur die grösste Attraktion der Promotion League, dieser unterschätzten Halbprofiliga, er ist auch ihr bester Skorer. In 16 Spielen hat Cissé 15 Tore erzielt, trotz künstlichem Hüftgelenk und zweijähriger Wettkampfpause. Er sagt: «Ich habe in Yverdon die Freude am Fussball wiedergefunden.»

Das Schicksal, Vergessene des Fussballs zu sein
Es ist ein erstaunlicher Satz. Weil man nicht als Erstes vermuten würde, dass einer mit seinem Palmarès sich sagt: Wenn mir im Leben noch etwas fehlt, dann ist das vor einer Handvoll Zuschauern in Bavois, in Brühl und auf dem Berner Spitalacker bei Breitenrain aufzulaufen. Cissé fand den Weg nach Yverdon sehr zufällig, aufgrund einer Begegnung mit dem Präsidenten Mario Di Pietranino. Der Klub strebt unter dem Obmann nach alter Grösse, die er nach dem Abgang des langjährigen Mäzens Paul-André Cornu nie mehr fand. Cornu buddelte einst Trouvaillen wie die Stürmer Leandro Fonseca und Marko Pantelic aus. Heute versucht es Yverdon damit, alte Granden zu rezyklieren, Spieler, die mit dem Klub das Schicksal teilen, Vergessene des Fussballs zu sein.

Im Kader stehen neben dem fremdfinanzierten Cissé die früheren Super-League-Profis Davide Marazzi, François Marque und Ousmane Doumbia. Der Coach heisst Anthony Braizat, ein Franzose, der beim Vorjahr noch im Servette FC engagiert gewesen ist. Braizat sitzt im Trainerbüro, wobei das für diese zweckmässig eingerichtete Baracke ein grosses Wort ist, und sagt: «Cissé ist für den Klub ein Glücksfall. Er verschafft uns Respekt, stellt sich in den Dienst der Mannschaft und ist auf und neben dem Platz ein Vorbild.»

Tattoos, Partys und «Dance with the Stars»
Es gab eine Zeit, in der das schwer vorstellbar war. Denn Cissé war nicht nur für Tore bekannt, sondern auch für eine ihm eigene Schrillheit, für eigenwillige Frisuren, für Tattoos, für ausufernde Partys. Er hat die Aufmerksamkeit selten gescheut. Nach dem Karriereende trat er in der französischen Version von «Dance with the Stars» auf. Er versuchte sich als DJ. Und schrieb eine Autobiografie: «Ein Löwe stirbt nie.»

Inzwischen ist Cissé Familienvater, er sagt, es sei ruhiger geworden um ihn, er suche die Öffentlichkeit nicht mehr. Eine gewisse Extravaganz jedoch hat er sich bewahrt. Er fährt im Maserati von seinem Wohnort Lausanne zum Training nach Yverdon. Und es kam auch schon vor, dass er sich für den Weg vom Genfer Cointrin-Flughafen eines Helikopters bediente.

Für Yverdon und die Liga ist Cissé fraglos eine Bereicherung, er ist ein willkommener Farbtupfer. Er sagt, er werde dem Klub auch in der Rückrunde erhalten bleiben, ein Transfer schliesse er aus, ganz egal, welches Angebot auch hereinflattere: «Ich bin ein loyaler Mensch und habe dem Präsidenten viel zu verdanken.» Yverdon ist die zwölfte Station seiner Profikarriere, sie soll für ein versöhnliches Ende einer bemerkenswerten Karriere stehen. Bis das Scheinwerferlicht über Cissé ein letztes Mal ausgeknipst wird.