Spielerberater Nicola S. ist kein unbeschriebenes Blatt. FCL-Nachwuchschef Genesio Colatrella hat den Namen vor rund vier Jahren zum ersten Mal gehört. Als er noch Technischer Leiter beim SC Kriens war, erzählte ihm ein junger Spieler, dass besagter Berater ihn kontaktiert und versprochen habe, ihn weiterzubringen.

«Ich war sofort skeptisch und habe mit dem Berater telefoniert. Dabei hat sich herausgestellt, dass er praktisch nichts über den Spieler wusste», sagt Cola­trella. Eine Einladung nach Kriens habe Nicola S. nie angenommen – der Krienser Junior hat nichts mehr von ihm gehört.

Colatrella war deshalb auch nicht überrascht, als er vor zehn Tagen vom gefälschten Profivertrag erfuhr. Denn im FCL-Nachwuchs spielt ein weiterer Fussballer, der von S. betrogen wurde. Der vermeintliche Berater hat ihm einen gefälschten Lehrvertrag vorgelegt, worauf der junge Mann wie Zurap Memeti seine KV-Ausbildung an der Bénédict-Schule abbrechen wollte.

Schulabbrüche sind Einzelfälle
Schulabbrüche wegen Profiverträgen seien Einzelfälle, sagtMartinA.Würmli, Direktor der Bénédict-Schule Luzern. «Mir ist neben den beiden erwähnten Fällen nur ein Fussballer bekannt, der die Ausbildung abgebrochen hat. Der hat tatsächlich einen Profivertrag eines deutschen Zweitligisten erhalten», sagt Würmli. Wie Zurap Memeti durfte auch der zweite betrogene Schüler an die Schule zurückkehren. Insgesamt besuchen die Bénédict-Schule 14 bis 16 Fussballer pro Jahrgang. Würmli stellt klar: «Sportler sind gute Teamplayer. Sie sind in der Regel fleissige Schüler und brechen die Schule seltener ab als andere KV-Schüler.» Wenig Abbrüche gibt es auch bei der Talents School der Frei’s Schulen, wie Schulleiterin Priska Fischer auf Anfrage bestätigt: «Die Lernenden müssen für die Ausbildung strenge Aufnahmekriterien erfüllen und während der Ausbildung strenge Kriterien einhalten. Falls also die berufliche Grundausbildung abgebrochen werden sollte, dann ausschliesslich aufgrund ungenügender schulischer oder sportlicher Leistungen.» Drei Schüler haben bereits einen Vertrag beim FC Luzern in der Tasche, sie schliessen allesamt ihre kaufmännische Grundausbildung im Sommer ab. Zurzeit absolvieren 14 Fussballerinnen und 31 Fussballer ihre berufliche Grundbildung an der Talents School.

Besonders anfällige Spieler
Laut Genesio Colatrella zeige der aktuelle Vorfall jungen Spielern, dass sie bei der Wahl eines Spielerberaters behutsam vorgehen müssen. «Die Geschichte war in den Garderoben der Nachwuchsteams natürlich ein grosses Gesprächsthema. Sie beschäftigt die Jungen. Aber sie sind nun auch gewarnt.»

Colatrella sagt, es gäbe drei Kategorien von Spielern, die mit Beratern in Kontakt kommen. Erstens wären da die Nationalspieler. «Die können wir nicht abschirmen.» Zweitens die Spieler, die unbedingt einen Berater wollen, weil es statusrelevant ist, und drittens diejenigen, die sich in einer ausweglosen Situation wähnen und Hilfe suchen. Letztere seien am ehesten anfällig, um auf einen unseriösen Berater reinzufallen. «Als talentierter Fussballer erlebt man zwischen 16 und 18 Jahren eine schöne Phase, zum Teil verliert man den Bezug zur Realität. Da ist es schwierig, sich und dem Umfeld einzugestehen, dass man nicht gut genug ist, um Profi zu werden», sagt Colatrella. Insgesamt seien die Beratertätigkeiten aber schwierig zu kontrollieren. Er sieht sich als Ansprechperson für seine Junioren und die Eltern, die ihn auch häufig um Rat fragen. Das Thema Spielerberater werde proaktiv angegangen und sei ein wichtiger Teil der Karrierenplanung.

U-15-Spieler werden kontaktiert
Kritik übt Colatrella an der Vorgehensweise von unseriösen Beratern, die oft junge Spieler direkt ansprechen, statt zunächst mit Eltern oder Klub in Kontakt zu treten. Zudem werden Jugendliche immer früher kontaktiert. Bereits U-15-Spiele locken Spielerberater an. Colatrella sagt: «Ein junger Spieler hat halt einen tieferen Marktwert und kann darum von Beratern besser vermittelt werden.» Vielleicht hat sich das auch Nicola S. gedacht.

Wie können junge Spieler unseriöse Berater erkennen?

Christoph Graf ist Vizepräsident der Swiss Football Agents Association – einer Vereinigung von Spielerberatern, welche über – 200 Profifussballer repräsentieren, die in der Schweiz oder in ausländischen Ligen spielen. Im Interview äussert er sich über unseriöse Spielerberater und erklärt, worauf Jungtalente achten sollten.

Christoph Graf, vor zehn Tagen wurde publik, dass der Spielerberater Nicola S. mehrere junge Fussballer betrogen und ihnen gefälschte Verträge vorgelegt hat. Für den Ruf der Schweizer Spielerberater ist so eine Geschichte sicher nicht förderlich …

Christoph Graf: Unsere Branche zieht leider allerlei Leute an, weshalb solche bedauerlichen Zwischenfälle vorkommen können. Es gibt überall Betrüger. Doch das ist schon ein Extremfall und eine Ausnahme. Ich verstehe gar nicht, warum dieser Mann so vorgegangen ist. Er konnte ja gar kein Geld verdienen, kein Profit aus der Sache ziehen. Allerdings waren wohl auch die Eltern zu naiv. Die Chance, dass man als Nachwuchsspieler eines Amateurklubs einen Profivertrag erhält, ist etwa so gross wie diejenige eines Sechsers im Lotto.

Gibt es viele unseriöse Spielerberater?

Graf: Das Problem ist, dass grundsätzlich jeder Spielerberater werden kann. Bis zum 1. April 2015 brauchte es eine von der Fifa ausgestellte Lizenz, die man nur nach bestandener Prüfung erhalten hat. Doch weil die Fifa nicht konsequent durchgegriffen hat, waren auch vorher schon nicht lizenzierte Berater aktiv. Unsere Vereinigung haben wir 2010 gegründet, um seriöse und kompetente Partner für Klubs zu sein. Momentan haben wir 15 Mitglieder, die alle eine gewisse Erfahrung und eine seriöse Arbeitsweise haben. In der Schweiz tauchen immer wieder neue Figuren auf, die meisten verschwinden aber wieder. Lediglich rund 20 Berater haben mehrere Jahre Erfahrung in diesem Business. Mehr gibt der Schweizer Markt gar nicht her.

Wie kann ein junger Spieler denn unseriöse Berater erkennen?

Graf: Unseriöse Berater kennen das Geschäft nicht und versprechen Spielern Dinge, die sie nicht halten können. Ein Profivertrag-Angebot entspricht bei jungen Spielern häufig nicht der Realität, grosse Worte sind gefährlich. Der Spieler muss sein eigenes Potenzial richtig einschätzen können und die Einschätzung mit derjenigen des Beraters vergleichen. Stimmen die Einschätzungen nicht überein, ist Vorsicht geboten. Zudem müssen bei minderjährigen Spielern zwingend die Eltern mit einbezogen werden.

Die Wahl des richtigen Beraters scheint für einen jungen Mann ein grosser, wichtiger Entscheid zu sein. Worauf muss er achten?

Graf: Es ist sicher kein einfacher Entscheid, weil er in jungen Jahren gefällt werden muss. Ein bekanntes Talent wird zudem von mehreren Personen kontaktiert. Da lohnt es sich, Tipps bei älteren Mitspielern einzuholen. Allerdings können Mitspieler auch eigene Interessen verfolgen, eine Provision für die Vermittlung erhalten. Wichtige Ansprechpersonen findet ein junger Spieler zudem in seinem Verein. Der Sportchef sollte zum Beispiel schauen, dass seine Spieler gut beraten sind. Sehr wichtig ist vor allem, dass die Chemie zwischen Spieler und Berater stimmt. Ist ein Berater nicht sympathisch, ist er die falsche Person. Ein seriöser Berater braucht aber vor allem ein Konzept für die Karriereplanung und muss auch negative Szenarien thematisieren. Was passiert, wenn es mit der Profikarriere nicht klappt?

Häufig wird der Spieler einfach von einem Verwandten betreut …

Graf: Dem stehe ich kritisch gegenüber. Verwandte haben meist nicht die Kompetenz, um Spieler seriös zu beraten. Es kann oft zu Streit in der Verwandtschaft kommen, seinen Bruder etwa kann man nicht einfach austauschen. Ich befürworte, wenn die Familie die Karriere begleitet. Das Managen soll sie aber Fachleuten überlassen.