Die Integration von Ausländern ist im Schweizer Fussball eine Erfolgsgeschichte. Mit dem Projekt «Together» sollen Flüchtlinge via Verein den Weg in die Gesellschaft finden. Eine Pionierrolle hat dabei der SC Kriens.

«Das Engagement der Flüchtlinge im Freizeitbereich ist matchentscheidend für eine gelungene Integration.»

Teddy Henzi, SC Kriens

Die Schweizer Fussball-Nationalmannschaft ohne Secondos wäre als Spitzenteam nicht denkbar – zumindest nicht bei den Feldspielern. Wenn nur alle Schweiz-Verwurzelten aus dem aktuellen A-Kader zur Verfügung stünden, reichte dies für eine eher mittelmässige Truppe mit Lang, Lichtsteiner, Schär, Widmer, Frei, Freuler, Steffen, Stocker, Zuber und Zuffi.

Gut also, sind sie integriert, die Fussballer mit Migrationshintergrund. Spieler wie Shaqiri, Xhaka, Behrami oder Seferovic haben zu den jüngsten Erfolgen der Schweizer Nationalmannschaft wesentlich beigetragen. Und in allen SFV-Auswahlteams gehören balkan- und afrikastämmige Spieler zu den Leistungsträgern, von Ajeti, Demhasai, Lotomba in der U21 über Zaqiri, Asllani, Ugrinic in die U19, bis hinunter zur U15, wo im erweiterten Kader Namen wie Hunziker, Schumacher oder Zwahlen schon klar in der Minderheit sind.

Vereine und Flüchtlinge sollen gegenseitig profitieren
Viele Spieler, deren Eltern, in die Schweiz eingewandert sind, prägen hier das Geschehen. Ihre sportlichen Qualitäten garantieren gleichzeitig den gesellschaftlichen Anschluss. Fussball sei Dank. Aber funktioniert die integrative Wirkung dieser Sportart auch für Spieler, die nicht zur Spitze gehören?

Ja, sie funktioniert, ist der Schweizer Fussballverband überzeugt. Mit weiteren Trägern wie dem Bundesamt für Sport und dem Staatssekretariat für Migration hat der SFV unter dem Motto «Together» im vergangenen Jahr ein Signal zur Integration von Flüchtlingen gesetzt. Alle Beteiligten sind sich einig: Wer Flüchtlingen ermöglicht, mitzuspielen, gewinnt. Die Vereine erhalten motivierte Mitglieder, vergrössern ihre Nachwuchsbasis, öffnen sich für neue Kultur und stärken ihr Ansehen in der Gemeinde. Flüchtlinge andrerseits können ihre oft speziellen Fähigkeiten im Verein weiterentwickeln. Sie knüpfen neue Kontakte, lernen Alltagssprache und lokale Gepflogenheiten, üben Fairplay und setzen sich für gemeinsame Ziele ein.

Integration im Fussball bedeutete bis vor kurzem allerdings primär Sportwillige aus Ländern aufzunehmen, die wir längst akzeptiert haben – und von denen wir kräftig profitieren. Die Balkankriege hatten Anfang der 1990er-Jahre dafür gesorgt, dass die Fussballvereine neben ihrem Kerngeschäft auch Integrationsaufgaben übernehmen mussten – Investitionen, die sich lohnten. Betroffene Spieler zahlen heute mit ihren Treffern für die Schweizer Nationalmannschaft zurück.

«Fussball kennt nur eine Sprache»
Der 1991 im Kosovo geborene Xherdan Shaqiri zum Beispiel hatte als Achtjähriger beim Basler Verein SV Sissach Anschluss gefunden «sorglos, befreit und enthusiastisch», wie er sich heute dankbar erinnert. Der «Kraftwürfel» ist einer von vielen, die in der Schweiz ihr Fussballhandwerk zur Meisterschaft gebracht haben.

Der Luzerner Marinko Jurendic gehört auch dazu. Er hat es als Aktiver ebenfalls in die Super League geschafft und ist dazu auf dem Sprung zur Trainer-Elite. Als Achtjähriger kam er 1986 von Nord-Bosnien in die Schweiz, fand bei den E-Junioren des FC Ebikon Anschluss und wurde nach Abschluss des Lehrerseminars Profifussballer. Von 2012 bis Sommer 2017 war Jurendic beim SFV Leiter Entwicklung Spiel- und Ausbildungsphilosophie. Als Trainer hatte er auf die vergangene Saison hin vom SC Kriens zum FC Aarau in die Challenge League gewechselt, wo er nach einer Niederlagenserie im März entlassen wurde. Jetzt ist er für die U-21 des FC Zürich verantwortlich. Dass Marinko Jurendic nach seiner Einwanderung vor 30 Jahren quasi problemlos Schweizer Vereinsmitglied geworden war, hat für ihn einen simplen Grund: «Fussball kennt nur eine Sprache, das macht die Integration einfach.»

Im Kanton Luzern haben die integrativen Anstrengungen der Fussballvereine schweizweit Vorbildcharakter. Klubs wie der SC Reiden, der FC Sursee, wie Emmenbrücke, Emmen oder in der Stadt Luzern der FC Südstern und der FC Kickers geben seit Jahren gerade auch zugewanderten Kindern die Möglichkeit, sich via Fussball schneller im Gemeindeleben zurechtzufinden.

Markus Kälin, Leiter der kantonalen Sportförderung sagt, man sei auf gutem Weg. Das sportpolitische Konzept sehe die Integration auf allen Ebenen vor – und im Fussball sei diese eigentlich schon selbstverständlich geworden. Laut dem Bundesamt für Sport stammen von den aktuell knapp 300000 Fussballerinnen und Fussballern in der Schweiz rund 50000 aus dem Ausland, zwei Drittel davon aus Portugal und Italien, ein knappes Drittel aus Ex-Jugoslawien und dem Kosovo. Vereinsmitglieder aus Ländern wie Eritrea, Syrien oder Afghanistan hingegen sind hier vergleichsweise selten. Immerhin haben im Zug des «together»-Projekts einige hundert jugendliche Flüchtlinge den Weg zum lizenzierten Vereinsmitglied gefunden – eine gute Resonanz, wie es beim SFV heisst.

SC Kriens mit Pionierarbeit
Und die Zahl integrierter Flüchtlinge soll weiter wachsen. Der SC Kriens zum Beispiel geht seit Anfang 2017 pioniermässig voran. Aktuell stammen 15 seiner lizenzierten B- und A-Junioren aus dem Zentrum für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. Sie spielen alle in der Breitensport-Abteilung – und selbst wenn aus diesem Kreis kein Embolo, Moubandje oder Akanji zu erwarten ist, sei letztlich der Zweck erfüllt, sagt der Krienser Projektleiter Teddy Henzi. Das Engagement der Flüchtlinge im Freizeitbereich sei, so der ehemalige Sekundarlehrer, «matschentscheidend für eine gelungene Integration».

Natürlich schultert der Sportclub Kriens mit der Aufnahme von Flüchtlingen auch eine finanzielle Last. Die Minderjährigen haben kein Geld, weder für Fussballschuhe noch den Mitgliederbeitrag. Eine kleine Entschädigung erhält der SCK vom Schweizer Fussballverband. Dieser wiederum profitiert von der Hilfe des Bundes, der mit dem Projekt «together» bis 2019 insgesamt 220000 Franken zur Verfügung stellt. Ausserdem erhoffen sich die Krienser Unterstützung durch den Kanton Luzern, der im Rahmen seines sportpolitischen Konzepts die Integration im Sport mit Lotterie-Erträgen von Swisslos fördert.

Noch ist es zu früh, die jüngsten Integrationsbemühungen zu beurteilen. Weder bei den nationalen Trägern von «together» noch beim SC Kriens will man Bilanz ziehen. Teddy Henzi allerdings betont, er erhalte vermehrt Anfragen von Vereinen, die wissen wollten, wie man Flüchtlingen den Weg zum lizenzierten Fussballer erleichtern könne.

Hinweis: Weitere Infos zum Projekt «together» finden Sie unter www.football.ch/together