Patrick Bussmann ist zurück beim FC Willisau. Nach einer längeren Auszeit hat der 50-Jährige im Januar das Amt des Sportdirektors übernommen. Im Willisauer Bote spricht er über seine neue Aufgabe und die Ziele mit dem FC Willisau.

Das Interview wurde am 5. Mai 2020 im Willisauer Bote publiziert und auf Wunsch von Willisau-Präsident Bruno Peter hier auf REGIOfussball.ch veröffentlicht.

«Unsere Vision ist klar: Bis 2025 soll der FC Willisau auf Stufe Gesamtverein die Nummer 3 im Kanton Luzern sein.»

Patrick Bussmann Sportkoordinator FC Willisau

Patrick Bussmann, während zehn Jahren waren Sie in Bezug auf den Fussball von der Bildfläche verschwunden. Nun sind Sie zurück. Warum? Ganz von der Fussball-Bildfläche verschwunden war ich schon nicht. Meine Tätigkeiten in Bezug auf den Fussball haben sich in letzter Zeit einfach eher im Hintergrund abgespielt. Und dabei habe ich gemerkt, wie sehr mir die Tätigkeit an der Front fehlt.

Ganz an der Front sind Sie in Ihrer neuen Funktion aber nicht tätig!…

Das ist richtig. Und das war schon ein ganz bewusster Entscheid. Ich wollte zurück und mich wieder für einen Verein engagieren. Dabei wollte ich aber keine Aufgabe übernehmen, in der ich nur an einzelnen Resultaten und am kurzfristigen Erfolg gemessen werde.

Was hat Sie konkret zur Rückkehr zum FC Willisau motiviert?

Ich habe den Kontakt zum Verein nie ganz verloren, engagiere mich seit längerer Zeit als Dress-Sponsor der FCW-Junioren. Dadurch und durch meinen Sohn Yasin habe ich sehr nahe miterlebt, welch hervorragende Arbeit im Kinderfussballbereich des FC Willisau geleistet wird. Und in jüngster Zeit habe ich mehrere interessante Gespräche mit den Verantwortlichen der neuen Führungscrew geführt. Das hat mich bewogen, mein Netzwerk und mein Know-how für den Verein einzubringen.

Bei Ihrem letzten offiziellen Engagement 2009 beim FC Willisau sagten Sie, der Verein brauche keinen Sportchef, weil er «zu klein» sei. Nun leistet sich der FCW einen Sportchef und einen Sportdirektor. Die Zeiten ändern sich schnell, auch im Amateurfussball!…

(lacht) In der Tat. Ich möchte allerdings vorausschicken, dass ich meine Funktion zu 100 Prozent ehrenamtlich ausübe. Und zu meiner Aussage von damals stehe ich: Der FC Willisau unter Willy Künzli brauchte wirklich keinen Sportchef, weil er als Präsident in sportlicher Hinsicht sehr nahe dran war an der 1. Mannschaft und als ehemaliger Fussballer auch die Eigenarten, Befindlichkeiten und Wünsche der Involvierten ganz genau kannte.

Heute ist das nicht mehr der Fall?

Die Zeiten lassen sich tatsächlich nicht mehr vergleichen. Vor zehn und mehr Jahren war es üblich, dass viele Präsidenten und übrigens auch die Trainer ganz eng involviert waren bei den Transferabschlüssen. Das ist heute an vielen Orten, so auch beim FC Willisau, nicht mehr der Fall. Aber das ist grundsätzlich kein Problem. Ein Präsident muss nicht in erster Linie für die sportlichen Belange des Vereins zuständig sein, wenn diese Aufgabe durch andere Personen adäquat abgedeckt ist.

Durch Personen wie Sie!…

Bei meiner neuen Tätigkeit steht die Juniorenabteilung im Zentrum. Doch es hat sich einfach sehr schnell herausgestellt, dass die Arbeit beim Nachwuchs direkt damit zusammenhängt, was im Aktivbereich geht und umgekehrt. Die sportlichen Perspektiven der 1. Mannschaft sind wesentlich für die Motivation des Nachwuchses, gerade auf Stufe C-, B- und A-Junioren. Und so bin ich nun nach kurzer Zeit auch in gewisse Entscheidungen betre!end Fanionteam involviert. Aber es bleibt dabei: Für die Zusammenstellung des Kaders der 1. Mannschaft ist wie bis anhin Sportchef René Keller zuständig.

Können Sie den angesprochenen Zusammenhang zwischen Juniorenabteilung und Aktivbereich veranschaulichen?

Der neue Vorstand hat die Zeichen der Zeit erkannt und intensive Bemühungen unternommen, um die finanzielle Belastung des Gesamtvereins durch die 1. Mannschaft zu reduzieren. Dies kann man auf zwei Arten scha!en: Entweder man reduziert die Spielerentschädigungen im Fanionteam per sofort massiv oder verzichtet gar ganz darauf. Die andere Variante ist, die bisher für die 1. Mannschaft aufgewendeten finanziellen Mittel extern zu generieren. So wird der Gesamtverein nicht mehr belastet und doch können wir die Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche sportliche Zukunft garantieren.

Das heisst im Fanionteam des FC Willisau lässt sich weiterhin «gutes Geld» verdienen?

Was heisst «gutes Geld»? Man muss sich einfach an den Tatsachen orientieren. Wenn wir per sofort darauf verzichten, den Spielern Entschädigungen zu zahlen, dann sind sie weg. Und dann ist es ein Wunschdenken, sportlich auf dem gleichen Niveau weitermachen zu können. In dieser Beziehung sollten wir uns keinen Illusionen hingeben. Ausserdem weise ich mit Nachdruck darauf hin, dass unsere 1. Mannschaft im Vergleich zu anderen Teams, auch in tieferen Ligen, keineswegs überteuert ist.

Aber wie wird die 1. Mannschaft dann konkret finanziert?

Ein kleiner Teil der Kosten wird aus dem ordentlichen Vereinsbudget gedeckt. Um den Rest zu generieren, haben Alois Frey, Willy Künzli und ich die Gründung einer Gruppierung mit dem Namen Freunde der 1. Mannschaft FC Willisau initiiert. Man kann das gut oder schlecht finden. Aber die Personen, die sich in dieser Gruppierung engagieren, leisten mit Blick auf die neue Ausrichtung des Vereins einen ganz wesentlichen Beitrag.

Inwiefern?

Hier kommt eben der Nachwuchsbereich ins Spiel. Gemäss Leitbild sollen sobald wie möglich 70 Prozent der Spieler der 1. Mannschaft die Juniorenabteilung beim FC Willisau absolviert haben oder sonst einen möglichst engen Bezug zu Willisau haben. Auch wenn die Aussendarstellung seit Jahren eine andere ist, erfüllt der Verein dieses Ziel heute schon fast. Dies alles soll bei grösstmöglichem sportlichem Erfolg passieren. Konkret wollen wir alles daran setzen, unsere gute Position in der 2. Liga interregional mittelfristig zu halten und möglichst weit vorne mitzumischen. Nun ist es so, dass das aktuelle Potenzial der Juniorenabteilung des FC Willisau nicht hergibt, kurzfristig beide Ziele zu erfüllen. Oder besser gesagt: noch nicht.

Aber warum muss dann weiterhin Geld in das Fanionteam fliessen?

Es geht darum, den heutigen Junioren und potenziellen künftigen Spielern der 1. Mannschaft eine Perspektive zu bieten. Wie bereits erklärt, werden wir das erforderliche sportliche Niveau kurzfristig nicht halten können, wenn wir in der 1. Mannschaft per sofort keine Entschädigungen mehr zahlen. Das ist ein Fakt. Umgekehrt sind wir nicht bereit, unsere Position in der 2. Liga interregional einfach herzugeben. Es würde keinen Sinn machen, zusätzlich in unsere Nachwuchs abteilung zu investieren und gleichzeitig einen sportlichen Niedergang der 1. Mannschaft in Kauf zu nehmen. Wir sind nicht zuletzt für Sponsoren interessanter, wenn unser Fanionteam auf einem höheren Level spielt. Die aktuelle Ausgangslage wollen wir nicht einfach aufgeben. Ausserdem würden wir so genau die leistungsstarken und willigen Junioren einer attraktiven sportlichen Perspektive im eigenen Verein berauben.

Welches ist Ihre Rolle als Sportdirektor in der geplanten Neuausrichtung des Juniorenbereichs?

Zunächst zum Begri! Sportdirektor: Ich bin nicht so glücklich mit dieser Bezeichnung. Sie impliziert, dass ich Direktiven gebe und andere auszuführen haben. Viel eher sehe ich mich als Sportkoordinator. Gemeinsam mit den Trainern im Aktiv- und Juniorenbereich versuche ich, die neue Ausrichtung umzusetzen. Hauptziel ist künftig, bei den C-, B- und A-Junioren sowie in der 1. und 2. Mannschaft das gleiche Spielsystem zu implementieren. Wir wollen die Durchlässigkeit vom Junioren- in den Aktivbereich fördern, indem wir ab Stufe C-Junioren aufwärts einheitliche Spielzüge und Standard situationen einstudieren. Dazu wird es auf die Alters- und Leistungsstufe angepasste, einheitliche Trainings geben. Meine Hauptaufgabe ist es, gemeinsam mit den Trainern die Trainingsschwerpunkte zu setzen und die Umsetzung zu begleiten und allenfalls korrigierend einzuwirken. All dies dient dem Ziel, dass die 1. Mannschaft bis 2025 schwerpunktmässig aus Spielern besteht, die beim FCW die Juniorenabteilung durchlaufen haben. Dies bei gleichzeitig grösstmöglichem sportlichem Erfolg und ohne zusätzliche Belastung des Vereinsbudgets.

Das Amt eines «Sportkoordinators», die «Implementierung einheitlicher Spielsysteme», ein Projekt «2025»: Mit Verlaub, für einen Verein wie den FC Willisau klingt das ziemlich hochtrabend!…

Das kann sein. Aber warum sollten wir nicht hochgesteckte Ziele verfolgen und neue Ansätze wagen? Unsere Vision ist klar: Bis 2025 soll der FC Willisau auf Stufe Gesamtverein die Nummer 3 im Kanton Luzern sein. Das heisst nicht, dass unsere 1. Mannschaft sportlich das drittbeste Luzerner Team sein muss, aber der FC Willisau soll hinter dem FC Luzern und SC Kriens als Verein als dritte Kraft im Kanton wahrgenommen werden. Ich bin felsenfest überzeugt: Der FC Willisau bringt bereits jetzt alles mit, was es dazu braucht: Die 1. Mannschaft ist erfolgreich, im Juniorenbereich wird von Toptrainern seit Jahren hervorragende Arbeit geleistet, das Einzugsgebiet ist gross, die Infrastruktur top. Das Fundament ist sehr solid. Wir müssen uns nicht kleiner machen als wir sind. Wir sind Willisau!

Die Fallhöhe aufgrund solcher Aussagen ist beträchtlich!…

Dessen bin ich mir bewusst. Allerdings frage ich mich: Wer sonst soll die Rolle als Nummer 3 im Kanton einnehmen? Der FC Sursee vermutlich, doch dann kommt schon sehr bald Willisau. Noch einmal: Wir müssen uns nicht kleiner machen als wir sind. Auf der anderen Seite bringen es solche Projekte mit sich, dass es Personen gibt, die uns an dieser neuen Aufgabe scheitern sehen wollen. Aber damit müssen wir umgehen können und das Gegenteil beweisen. Genau diesen Kick brauche ich. Genau darum habe ich zugesagt.

Heisst das auch, dass der FCW keine Kooperationen mit umliegenden Vereinen eingehen wird?

Nein, ganz im Gegenteil. Eine gute Zusammenarbeit mit den anderen Vereinen aus der Region wird für das Gelingen des Projekts sogar von entscheidender Bedeutung sein. Allerdings wird es nicht auf ein System mit Spielgesellschaften hinauslaufen. Ich bin der festen Überzeugung, dass der FC Willisau aufgrund der gegebenen Voraussetzungen eine Führungsrolle im Nachwuchsfussball in unserer Re gion übernehmen muss und auch kann. Die besten jungen Fussballer aus dem Luzerner Hinterland, denen es nicht zum FCL oder nach Kriens reicht, sollen künftig beim FC Willisau die Gelegenheit haben, auf sehr hohem Niveau Fussball zu spielen. Das erfordert natürlich, diese jungen Fussballer aufs Schlossfeld zu holen. Auf der anderen Seite werden wir versuchen, eigene Junioren, denen es noch nicht ganz für die 1. Mannschaft des FC Willisau reicht, beispielsweise bei 3.-Ligisten aus der Region unterzubringen. So profitieren auch sie.

Hand aufs Herz: Dieses System ist primär aus Sicht des FC Willisau attraktiv.

Das ist klar. Das ist eine gewisse Ego-Haltung. Aber die Verantwortlichen anderer Vereine müssen sich ehrlicherweise auch fragen, welche Perspektiven sie ihren besten Nachwuchsspielern bieten können und wollen. Wenn einer beispielsweise zwei oder drei Jahre in den FE13/14-Förder gefässen war und dann zum Stammverein zurückkehrt und dort in der 3. Stärke klasse spielen muss, löscht es ihm doch ab. Haben die Jugendlichen in diesem Alter keine sportliche Perspektive, drohen sie den Spass zu verlieren und ganz mit dem Fussball aufzuhören. Diese Perspektiven wollen wir ihnen beim FC Willisau bieten. Es muss und es wird uns gelingen, die Vereinsverantwortlichen und Eltern von talentierten Spielern davon zu überzeugen, dass es für ihre sportliche Entwicklung das Beste ist, beim FCW zu spielen.

Da ist er wieder: Der knallharte, leidenschaftlich-kompromisslose Patrick Bussmann, wie man ihn aus seiner Zeit auf dem Rasen kennt.

(schmunzelt) Ich war während meiner Aktivzeit sicher kein Kind von Traurigkeit. Manchmal habe ich es auch übertrieben und damit habe ich mir bei Weitem nicht nur Freunde gemacht. Ob ich knallhart bin, sollen andere entscheiden. Für mich stehen Ehrlichkeit, Verlässlichkeit und harte Arbeit an oberster Stelle. Diese Eigenschaften ziehen automatisch eine gewisse Konsequenz und Kompromisslosigkeit nach sich. Und ebenfalls klar ist: Meine Leidenschaft für den Fussball ist ungebrochen. Patrick Bussmann (50) wohnt seit 29 Jahren in Willis au. Er ist verheiratet und zweifacher Vater. Tochter Lena (17) ist eine der besten Nachwuchs-Hochspringerinnen der Schweiz, Sohn Yasin (14) ist Fussball-Torhüter und absolviert ab kommendem Sommer die Sportkanti in Luzern. Bussmann selber begann seine fussballerische Karriere beim FC Nottwil. Anschlies s end lief er für verschiedene Vereine aus der Region auf, darunter Schötz (91/92), Willisau (92 bis 97 sowie 01 bis 03), Nebikon (03/04) und Algro (05/06). 2009/10 war er Teammanager beim FC Willisau und Ende der Vorrunde auch Interimstrainer der 1. Mannschaft. Er ist Inhaber und Geschäftsführer der Firma fabric wear ag in Büron.