Es ist Dienstagabend im Kleinfeld. Farbige Hütchen wurden auf dem Platz verteilt. Jonas Müller schreitet mit kleinen, gelben Kunststoffhürden unter den Armen zur Seitenlinie, stellt auch die Hürden in regelmässigen Abständen an den Spielfeldrand und hüpft zur Probe darüber. «Passt», sagt er.

Minuten später laufen die Spieler des SC Kriens durch seinen Parcour. Schweissperlen tropfen von der Stirn, Anstrengung zeigt sich in den Gesichtszügen. Jonas Müller steht daneben. Motiviert, lobt, zeigt vor und treibt an. Seit Sommer 2022 ist der 31-jährige Athletiktrainer beim SCK und jeden Dienstag Taktgeber im Training der 1. Mannschaft.

Hart aber herzlich. Jonas Müller kennt die Denkmuster ‘seiner’ Fussballer aus eigener Erfahrung als Nachwuchsfussballer beim FC Zürich (Bild: SC Kriens).

Fit genug wäre er, um alle Übungen selbst mitzumachen. «Ich kann nicht hier stehen, den Jungs eintrichtern, dass ein gesunder Körper für sie das Entschiedenste ist und selbst mit 10 Kilo zu viel auf den Rippen rumlaufen. Das wäre unglaubwürdig.» Seit Jahren gehört Jonas Müller zu den besten Cross-fit-Athleten der Schweiz.

Die Beziehung zum Ball wurde ihm in die Wiege gelegt. Sein Grossvater war zwölffacher Schweizer Nationalspieler, der Vater Profifussballer bei GC. Klein Jonas ging mit neun Jahren zum FC Zürich, durchlief alle Juniorenstufen, wurde für die Schweizer Junioren-Nationalmannschaft aufgeboten und stand mit 19 Jahren an der Pforte zum professionellen Fussball. Urs Fischer war sein Trainer in der U21 des FC Zürich. «Ein guter Trainer, aber kein Förderer von mir», sagt Jonas Müller.

«Selbst wenn Bayern München anklopfen würden, ich würde nein sagen. Es gefällt mir beim SC Kriens»

Jonas Müller

Die Pforte zur 1. Mannschaft blieb zu und Jonas Müller sattelte um. Konsequent. Mit dem Profifussball habe es nicht funktioniert, also machte er sich an den Aufbau seines Geschäfts im Fitnessbereich. Sagt er heute trocken. Er studierte Sportwissenschaften in Bern und arbeitete nebenher als Personaltrainer. Einer seiner Kommilitonen in der Hauptstadt hiess Marco Wiget. «Ich kenne ‘Wische’ seit ich zehn Jahre alt bin. Wir haben denselben Jahrgang und jede Saison mehrmals gegeneinander gespielt, er beim FCL, ich beim FCZ. Und danach haben wir in Bern zusammen studiert.»

Jonas Müller war einer der ersten, die Marco Wiget kontaktierte, als er 2022 Sportchef im Kleinfeld wurde. Neuer Athletiktrainer beim SC Kriens? «Ich musste nicht lange nachdenken. Es war und ist eine grossartige Gelegenheit meinen Beruf und meine Begeisterung für den Fussball im Kleinfeld zu verbinden.»

«Ich konnte mit meinen Vorstellungen und mit meinem Material neu anfangen.» Jonas Müller zu seinem Start im Kleinfeld im Sommer 2022 (Bild: SC Kriens).

Mehr Fussball möchte Jonas Müller in seinem Leben allerdings nicht mehr. «Selbst wenn Bayern München anklopfen würde. Ich würde nein sagen. Es gefällt mir zu sehr beim SCK. Die Dosis an Fussball passt.»

Der Fussball ist bis heute stark von einzelnen Personen abhängig, stärker als andere Sportarten. Vom Trainer, vom Sportchef, vom Präsidenten. Oft ist das nicht zum Vorteil für einen Verein und seine Angestellten, weil meist die Nachhaltigkeit fehlt.

Für Jonas Müller war der Umbruch beim SCK im Sommer 2022 allerdings ein Segen. «Ich konnte mit meinen Vorstellungen und mit meinem Material neu anfangen und beginnen, im Kleinfeld etwas aufzubauen. So eine Möglichkeit erhält man auf diesem Level nicht jeden Tag.»

«Wir haben kein Profitum beim SCK. Die Jungs arbeiten, kommen am Abend ins Training, manchmal müde, manchmal ausgelaugt, das muss ich beachten und die Trainings danach ausrichten»

Jonas Müller

Mittlerweile hat sich Vieles eingespielt. Die Rollen sind verteilt, die Aufgaben und Abstimmungen klar. Die grünweisse Maschine läuft und Jonas Müller ist ein entscheidendes Rädchen darin. Die Physis der 1. Mannschaft gehört zu den besten der Liga. In den letzten sieben Vorrundenspielen hat das Team von Sven Lüscher sechsmal in den letzten 20 Minuten getroffen und die Partie danach auch gewonnen. Wenn dem Gegner die Puste ausgeht, kann der SC Kriens zulegen.

«Ich bin ein Teil des Trainerteams und stimme mich immer mit Sven und Nino ab. In den Sommermonaten machen wir den Aufbau, während der Meisterschaft arbeiten wir Mikrozyklen. Das heisst, die Belastung der Spieler unterscheidet sich und so gilt es auch zu arbeiten, immer angepasst an die Belastungsintensität der Spieler. Von Woche zu Woche anders.»

«Der Fussballer will den Ball am Fuss haben, das Training ohne Ball braucht Überwindung»

Jonas Müller

Weil Jonas Müller nicht jeden Tag im Kleinfeld ist, tragen die Spieler ihre Befindlichkeiten in einer App ein. Als Monitoring. Auch als Vergleichsinstrument. Jeder Spieler hat ein Profil und rapportiert über seine körperliche und mentale Verfassung. Gab es zu wenig Schlaf? Fühlt er sich ausgelaugt? Zwickt es in der Wade beim Aufstehen?

«Es braucht Eigenverantwortung, die Angaben helfen uns aber, möglichst individuell zu arbeiten und die Verfassung der Jungs zu kennen.» Neben den Körperdaten, finden die Spieler in der Winterpause auch ein individuelles Trainingsprogramm auf der App. Dieses orientiert sich an den Anforderungen auf dem Platz.

Bei einem Mittelfeldspieler sind beispielsweise eher zyklische Bewegung gefragt, das heisst er ist immer in Bewegung auf einem eher linearen Intensitätslevel. Bei einem Stürmer ist es anders, er hat kurze Intensitätslevels. Sprints, und danach wieder eine vergleichsweise Ruhephase.

Eigenverantwortung ist für Jonas Müller ein zentrales Thema. Eine intrinsische Motivation der Spieler die Voraussetzung für seine Arbeit. «Wir haben kein Profitum beim SCK. Die Jungs arbeiten, kommen am Abend ins Training, manchmal müde, manchmal ausgelaugt, das muss ich beachten und die Trainings danach ausrichten. Aber, die Jungs müssen sich auch entwickeln wollen. Stetig, immer ein, zwei Prozent mehr und dafür ist die körperliche Verfassung eine Grundvoraussetzung.»

Zwischendurch muss Jonas Müller seine Ansprüche etwas dämpfen. Er, der Cross-fit Modellathlet. «Der Fussballer will den Ball am Fuss haben, das Training ohne Ball braucht Überwindung. Ich kann es den Jungs vorleben, indem ich selbst fit bin, und darauf hoffen, dass sie sich daran orientieren und motiviert werden, immer etwas mehr zu machen für ihren Körper, als vielleicht für ein Fussballspiel nötig.»