Am 12. August 2017 ist es wieder soweit. In der ersten Runde des Schweizercup kommt es zum Derby zwischen Luzern und Kriens. Die letzte Begegnung in einem Ernstkampf liegt bereits beinahe 11 Jahre zurück und ist datiert auf den 1. Oktober 2006. Damals gewannen die Luzerner das Cup-Derby in der zweiten Hauptrunde des Schweizer Cups gegen Kriens im Krienser Kleinfeld mit 4:0 Toren.

Wir schauen in unserer neuen Rubrik «Rückblick» in unregelmässigen Abständen auf vergangene Ereignisse zurück. Hier der Cupbericht vom 2. Oktober 2006, erschienen in der «NZZ»:

Epische Cup-Schlachten und denkwürdige Favoriten-Stürze bringt man nicht mit porentief reinen Tenues und einem frisch gemähten englischen Rasen in Verbindung. Wasserlachen, Bodenunebenheiten, eine havarierte Grasnarbe und gezeichnete Helden entsprechen schon eher dem gängigen Bild der «perfekten» Cup-Ambiance.

Epische Cup-Schlachten und denkwürdige Favoriten-Stürze bringt man nicht mit porentief reinen Tenues und einem frisch gemähten englischen Rasen in Verbindung. Wasserlachen, Bodenunebenheiten, eine havarierte Grasnarbe und gezeichnete Helden entsprechen schon eher dem gängigen Bild der «perfekten» Cup-Ambiance. So gesehen hätte Kriens die idealen Voraussetzungen für die grosse Sensation geboten – abgesehen von den beiden Penaltypunkten. Die waren in den Schlammgruben vor den beiden Toren kaum zu finden, sollen aber gemäss Platzwart Servo Momocilovic – die Terrainverhältnisse lassen darauf schliessen, dass er nur mit einem Teilzeitvertrag angestellt ist – wirklich elf Meter vom Ziel entfernt gelegen haben.

Dass es pünktlich zum Anpfiff zu regnen aufhörte, entsprach den fussballerischen Präferenzen des Heimteams zwar nicht. Doch das Publikum war dankbar. Die einzigen «gedeckten» Stehplätze befinden sich in Kriens nämlich unter den Bäumen auf der Längsseite des Platzes. Sie stehen sozusagen für den Kampf des Klubs gegen die Kommerzialisierung des Fussballs, der auch anlässlich des Spiels des Jahres mit sympathischer Hartnäckigkeit geführt wurde. Der SCK-Schüblig (Fr. 5.50) genügte höheren Ansprüchen als die Abwehrleistung der Mannschaft. Das Penalty- Stübli des Donatorenklubs erfüllte die Rolle als VIP-Zone bestens, die Ehrengäste sassen trotzdem, ohne zu murren, auf der Pressetribüne, und der Speaker bestand seinen persönlichen Härtetest mit Bravour: In der 15-minütigen Pause las er die Namen der 96 Matchballspender (von A. Hiltmann bis Winterthur Versicherung) ohne Versprecher vor. Fussball in Kriens – das ist Schweizer Cup pur. Hier wird der Schiedsrichter noch ans (Drehscheiben-)Telefon gerufen.

18 Punkte haben die Krienser in den ersten acht Runden der Challenge League gewonnen. Unerwartet liegen sie auf Platz 2. Doch vom FC Luzern trennen sie mehr als ein paar hundert Meter Luftlinie. Überraschen kann das nicht. Denn wer auf dem Kleinfeld spielt, darf vom Aufstieg nicht einmal träumen. Diminutive haben in der Super League nichts verloren (die Schaffhauser Breite ist zwar nicht besser, tönt aber immerhin nach mehr).

Geographisch steht den Kriensern der (majestätische) Pilatus im Weg, sportlich ist es der (nicht ganz so majestätische) FCL. So geht selbst in der Vereinschronik jeweils mindestens ein Seitenblick auch immer zur Luzerner Allmend: «1975 erstmaliger Aufstieg in die Nationalliga B. Liga- Zugehörigkeit bis 1981. Dabei 2-mal vor dem FCL klassiert», heisst es. Die Rivalität der beiden Vereine entspricht dem helvetischen Konfliktpotenzial unter Nachbarn. Peter Glur, der Krienser Präsident, spricht von einer «während Jahren sehr gehässigen Atmosphäre, die sich erst mit dem Aufstieg des FCL entspannt hat». Die lokale Polizei kann das bestätigen. Das letzte Meisterschafts-Derby auf dem Kleinfeld (am 19. März 2006) endete mit Kleinholz – und für sieben Krawallmacher mit bedingten Gefängnisstrafen.

Doch ganz ohne einander kommen die kampfeslustigen Eidgenossen dann doch nicht aus: Der SC Kriens, mit der grössten Juniorenabteilung des Landes, liefert dem Rivalen regelmässig talentierten Nachwuchs – zuletzt den U-19-Internationalen Claudio Lustenberger. Der frühere FCL-Captain Paul Wolfisberg führte Kriens 1975 als Trainer erstmals in die Nationalliga B und legte indirekt die Basis zu den beiden einjährigen Gastspielen (1993/94 bzw. 1997/98) in der höchsten Spielklasse. Patrick Foletti, der heutige Torhüter des SC Kriens, ist gleichzeitig Goalietrainer in Luzern. Und Raymond Lütenegger, der langjährige Geschäftsführer des FCL, steht als Ehrenpräsident des SCK ebenfalls zwischen den Fronten. Die Diskussion um eine Fusion der Klubs löst bei ihm nur ein Kopfschütteln aus: «Für mich ist das undenkbar – zumindest in den nächsten 30 bis 40 Jahren.»

Am Sonntagnachmittag dauerte der Traum des Aussenseiters vom grossen Coup nur 23 Minuten und 5 Sekunden. Zu verhalten, zu respektvoll ging die Mannschaft des früheren FCL-Profis Stefan Marini ans Werk. Dann kam Edmond N’Tiamoah, der Wahlluzerner aus Frankreich. Im Alltag nicht immer die Effizienz in Person, profitierte er diesmal kaltblütig von den umständlichen Krienser Abwehrübungen und drosch den Ball humorlos über die Linie: 1:0. Eine Viertelstunde später war die Sache gelaufen und das Krienser Fussballfest geplatzt. Tchouga erhöhte auf 2:0.

Ciriaco Sforza, der weltgewandte Trainer des FC Luzern mit Spieler-Vergangenheit in Mailand und München, der mit seinem modischen Trenchcoat und den frisch polierten Lederschuhen ungefähr so gut aufs Kleinfeld passte wie David Beckham ans Unspunnenfest, war alle Sorgen los. Dass ihm die innerluzernische Rivalität aber ohnehin keine schlaflosen Nächte bereitet, versteht sich von selber: «Für mich sind andere Derbys dann doch eher bedeutender – zum Beispiel Inter – Milan oder Bayern – 1860 München», hatte er vor dem Spiel zu Protokoll gegeben. An dieser Einschätzung wird sich mittelfristig kaum etwas ändern. Denn der grosse Klassenkampf fand am Fusse des Pilatus nicht statt. Den Kriensern bleiben Nettoeinnahmen von rund 40 000 Franken als Trost. Und 96 Matchbälle, die bis zum nächsten Derby zum Torschuss-Training verwendet werden können.